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Das Moor Des Vergessens

Das Moor Des Vergessens

Titel: Das Moor Des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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hatte. Schon früh hatte sie einiges über Schlösser gelernt, aber das war bereits eine Weile her, und sie hatte nicht die richtigen Werkzeuge, nur eine Zange und starken Draht, die sie aus der Hütte mitgenommen hatte. Sie würde es hinkriegen, aber sie wollte lieber die Finger davon lassen. Ihre größte Hoffnung waren die schweren Kübel, die am Rand der Veranda aufgereiht standen. Vielleicht hatte Tillie einen Schlüssel unter einem Blumentopf versteckt.
    Tenille kauerte sich zusammen und kippte einen nach dem anderen die Töpfe zur Seite und tastete darunter, ob da etwas lag, das sich wie ein Schlüssel anfühlte. Beim vierten Topf hatte sie Glück, zog einen Schlüssel hervor und grinste. Sie rieb den Schmutz an ihrer Hose ab und ging auf die Hintertür zu.
    Ein paar Minuten später musste sie jedoch ihre Niederlage eingestehen. Was immer es sein mochte, der Schlüssel zur hinteren Tür war es jedenfalls nicht. »Scheiße«, murmelte sie. Das Einzige, was sie noch probieren konnte, war die Tür vorne, die im Blickfeld jedes schlaflosen Rentners lag, der vielleicht im Dunkeln saß und aus seinem Fenster blickte. Na ja, da konnte man nichts machen. Sie würde es eben in Angriff nehmen müssen.
    Sie schlich zur Vorderseite des Bungalows und probierte den Schlüssel. Er drehte sich lautlos im Schloss, und innerhalb von Sekunden war sie im Flur und atmete den Geruch nach alter Dame ein. Im Haus war es dunkel und still. Leise ging sie den Flur entlang und warf einen Blick in das erste Zimmer links. Das Wohnzimmer. Ein guter Ort, um mit dem Suchen anzufangen. Sie schloss die Tür hinter sich und stand in undurchdringlichem Dunkel, tastete nach dem Lichtschalter und knipste das Licht an. Wenn jemand das Licht sah, würde derjenige wahrscheinlich vermuten, dass Tillie nicht schlafen konnte, hoffte Tenille.
    Schnell verschaffte sie sich einen Überblick über den Raum. Ein altmodisches Büfett stand an einer Wand, und sie ging direkt darauf zu. Beide Schubladen waren vollgestopft mit Papieren. Tenille zog den ersten Stoß heraus und fing an, ihn durchzublättern. Quittierte Rechnungen, Postkarten, Versicherungspolicen, ein Testament in einem Umschlag mit dem Namen eines Rechtsanwalts. Nichts von Interesse. Die zweite Schublade war genauso unergiebig. Warum irgendjemand seine Stromrechnungen bis zurück in die achtziger Jahre aufheben musste, war Tenille unbegreiflich. Sie holte tief Luft. Wahrscheinlich würde die alte Dame etwas wirklich Wichtiges im Schlafzimmer verstecken. Aber es war nicht möglich, dort zu suchen. Allerdings würde es nicht schaden, mal reinzuschauen.
    Tenille schaltete das Licht aus und ging in den Flur zurück. Die gegenüberliegende Tür war geschlossen, und sie öffnete sie ganz langsam und unendlich vorsichtig. Es war ein Schlafzimmer, kein Zweifel. Aber die Vorhänge waren zurückgezogen, und das Bett war leer. Und doch war es offensichtlich Tillies Schlafzimmer. All die Dinge, die eine alte Dame brauchte, befanden sich auf dem Nachttisch - ein Glas Wasser, ein Brillenetui, zwei Bücher. Eine Strickjacke war achtlos auf einen Stuhl geworfen. Tenille spürte eine starre Kälte in ihrem Magen. Wo war die alte Frau? Sie konnte hier nirgendwo verschwinden.
    Egal, sagte sie sich. Sie übernachtete vielleicht bei Verwandten. Was auch immer. Die Sache war die: Wenn sie nicht da war, war dies eine wunderbare Gelegenheit. Tenille zog die Vorhänge vor, schaltete das Schlafzimmerlicht ein und fing an zu suchen. Zwanzig Minuten später musste sie zugeben, dass sie Pech gehabt hatte. Die einzigen Papiere, die sie gefunden hatte, waren Briefe und die Heiratsurkunde von Donald Swain und Matilda Clewlow, die mit einem verblassten roten Band zusammengebunden waren. Sie schaute auf ihre Uhr. Es war fast zwei. Zeit, von hier zu verschwinden, da sie sich Edith Clewlows Häuschen auch noch ansehen wollte. Nur die Küche und das Badezimmer waren noch übrig, und sie glaubte nicht, dass man dort Dokumente aufbewahrte. Sie knipste das Licht aus, zog die Vorhänge wieder zurück und ging leise hinaus, legte den Schlüssel zurück und holte sich das Fahrrad. Es schien, als hätte Tillie Swain doch die Wahrheit gesagt.
    Als sie durch die stillen Straßen zurückfuhr, begegnete sie niemandem außer einem Lkw mit dem Logo eines Supermarkts, der in die entgegengesetzte Richtung fuhr. Selbst hier oben brauchten die Leute ihre Dosis an Markenartikeln. Den Hügel nach Fellhead wieder hinaufzufahren war anstrengend, aber

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