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Das Moor Des Vergessens

Das Moor Des Vergessens

Titel: Das Moor Des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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daran?«
    Jane lächelte. »Wenn ich Recht habe, ist dies ein unentdecktes Gedicht von Wordsworth. Ein langes Gedicht. Ich wäre gern die Erste, die es liest. Und ich hätte gern die Gelegenheit, es zu studieren und darüber zu schreiben.« Sie versuchte, noch besänftigender zu klingen. »Es wäre ein sehr wertvolles Manuskript. Wer immer es besitzt, könnte reich werden.«
    »Sehen Sie? Ich hab's ja gesagt, Sie wollen mich ausrauben. Also, ich hab nichts, was sich zu stehlen lohnt, junge Frau. Kein Manuskript. Keinen Schmuck. Und auch kein Geld. Sie und Ihr junger Mann verschwenden hier Ihre Zeit. Ich hab nichts für Sie.« Die Tür begann sich zu schließen, dann ging sie wieder auf. »Und sagen Sie Jimmy Clewlow, er soll auf jeden Fall dafür sorgen, dass mich morgen jemand abholt. Ich will Ediths Beerdigung nicht verpassen, weil alle vergessen haben, dass es mich gibt.« Diesmal schloss sich die Tür endgültig, und Jane und Dan standen draußen und starrten auf die schwarze Fläche.
    »Und schönen Tag noch«, murmelte Jane und drehte sich auf dem Absatz um.
    Sie hatte das Gefühl, dass die Fenster des Hauses sie anglotzten, als sie wegging. Wieder eine Fahrt, die absolut nichts gebracht hatte. Wenn das so weiterging, würde sie nach London zurückkommen, ohne für ihre zwei Wochen Freistellung etwas vorweisen zu können. Nichts außer einer schmerzhaft pochenden Beule am Hinterkopf, verschiedenen Schnittwunden, blauen Flecken und bis zum Äußersten strapazierten Nerven.
    Nachdem Dan sie an der Farm abgesetzt hatte, ergriff Jane die Gelegenheit, nach Tenille zu sehen. Sie fand sie in einer Ecke zusammengekauert vor, mit weit aufgerissenen Augen und nervös.
    »Was ist los?«, fragte sie, ließ sich neben dem Mädchen nieder und legte ihr den Arm um die Schultern. »Gruselige Geschichte«, murmelte Tenille. »Drehst du durch, weil du hier drin eingesperrt bist?« Tenille lehnte sich an sie. »Du weißt doch, du hast mich ja versprechen lassen, hier drin zu bleiben?« Jane konnte den Gedanken an noch mehr Probleme kaum ertragen. Nach dem Angriff auf sie lagen ihre Nerven blank.
    »Was ist passiert?«
    Tenille krümmte sich in Janes schützendem Arm zusammen. »Ich bin zum Haus von dieser Letitia Brownrigg gegangen -gestern Abend. Gegen ein Uhr nachts bin ich hingekommen. Die Tür war offen, also bin ich einfach rein. Aber da war ein Mann im Wohnzimmer.«
    »O Mist, Tenille. Was ist, wenn er die Polizei angerufen hat?«
    »Nein, du verstehst das falsch. Das war ein Einbrecher. Er hielt eine Taschenlampe im Mund und hat die Sachen im Schreibtisch in dem Zimmer durchgesehen. Hat Papiere durchgeblättert. Genauso wie ich es gemacht hätte, wenn ich vor ihm hingekommen wäre.«
    Jakes Worte kamen Jane plötzlich wieder in den Sinn. Jemand, der nicht so verdammt viele Skrupel hatte wie sie, war darauf aus, das Manuskript zu finden. Und Tenille hatte ihn überrascht. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Konnte es der gleiche Mann sein, der versucht hatte, sie am Wasserfall zu töten? »Hat er dich gesehen?«
    »Na ja, er hat eine Person gesehen. Ich glaube nicht, dass er mich tatsächlich richtig sehen konnte, nicht so gut, dass er weiß, wer ich bin, wenn du weißt, was ich meine.« »Hast du ihn erkannt?«
    Tenille verzog das Gesicht. »Sein Gesicht hab ich nicht gesehen. Ich hatte nur so einen Eindruck von ihm, weißt du? Dass er, also, er war ziemlich groß, nicht dick, nicht dünn. Ich glaube, er trug eine Beanie-Mütze. Irgendein Typ. Hätte jeder sein können.«
    »Hätte es Jake sein können?« Sie musste fragen, aber die Antwort wollte sie nicht hören.
    »Ich glaube nicht, aber ich kann es nicht ganz sicher sagen. Wie gesagt, es hätte jeder sein können.« »Was hast du gemacht?«
    »Bin weggerannt. Hab bis hierher nicht aufgehört, in die Pedale zu treten. Mann, hab ich Angst gehabt. Ich dachte, weißt du, was ist, wenn er gesehen hat, dass ich schwarz
    bin? Nämlich hier sind nicht viele schwarze Jugendliche, oder? Und wenn er hinter der gleichen Sache her ist wie du, kann es sein, dass er dich kennt. Und das heißt, er weiß, wer ich bin. Nämlich, vielleicht redest du über mich, oder?« Ihre Stimme wurde lauter, ihre Angst war offensichtlich. »Ich rede schon über dich, da hast du Recht. Aber selbst wenn diese Person herausgekriegt hätte, dass du es warst, würde sie nicht wissen, wo sie dich finden kann.« Tenille lachte. »Natürlich weiß er das. Er weiß doch, dass er da suchen muss, wo du bist.«

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