Das Moor Des Vergessens
Möglichkeit vorstellen, Tenilles Sicherheit wiederherzustellen, nämlich, dass sie mit dem Hammer sprach. Es war kein angenehmer Gedanke. Ihr schauderte vor Angst und Abscheu. Nach dem, was sie gehört hatte, waren die Dinge, für die man den Hammer verantwortlich machte, nicht dazu angetan, dass man gerne Zeit mit ihm verbringen würde. »Wir werden sehen«, sagte sie vor sich hin.
»Redest du mit ihm wegen Geno?« Tenille sah sie ungläubig an.
»Na klar.« Jane trank ihren Kaffee aus und stand auf. »Respekt«, sagte Tenille und klang, als sei sie selbst über ihren Kommentar überrascht. »Du bist aber ziemlich gewieft für 'ne Weiße.«
Oder ziemlich dumm. »Bleib hier, bis ich zurückkomme. Lass niemand rein, okay?«
»Weißt du, wo du ihn finden kannst?«, fragte Tenille. »Ich hab ja 'ne Zunge im Mund und kann fragen.« »Brauchst du nicht. Um diese Zeit ist er wahrscheinlich zu Hause. Block D, ganz am Ende, Wohnung 87.« Jane nickte und nahm ihren Mantel. »Mach dir keine Sorgen, Tenille. Das mit Geno kriegen wir schon hin.«
Wir sind übereingekommen, dass er in drei Tagen zurückkommt, wenn uns beide nichts hindert und wir keine anderen Verpflichtungen haben. Ich gestehe, dass ich seiner Geschichte mit Neugier entgegensehe. So viel ist über das Schicksal dieses Schiffes gesagt und geschrieben worden, aber wir haben es nur von einer der Hauptpersonen gehört. Es ist gewiss, dass der Bericht meines Freundes uns neue Erkenntnisse über die Meuterei selbst bringen und dass das Geheimnis gelüftet werden wird, was später mit der Bounty und denen geschah, die sich ihrer bemächtigt hatten. Außer meinem Freund lebt, glaube ich, niemand mehr auf unseren Inseln, der das Schicksal der Bounty kennt, nachdem sie Tahiti mit ihrer Mannschaft von Meuterern und Eingeborenen verließ. Mich verlangt danach, diese Geschehnisse zu verstehen und sie zu einem Gedicht zu formen. Durch mein großes Poem bin ich für ein so langes Werk wohl geübt und vorbereitet. Es wird ein außerordentliches Unterfangen werden.
9
Jane schloss die Wohnungstür hinter sich, hielt einen Moment inne und holte tief Luft. Wahrscheinlich war das, was sie tun wollte, verrückt. Wenn sie unangekündigt einfach bei dem Hammer erschien und ihm sagte, es sei an der Zeit, sich um seine Tochter zu kümmern, die er bisher ignoriert hatte, würde sie ganz dreist und ziemlich sicher viele ungeschriebenen Gesetze brechen, was immer diese auch vorschreiben mochten. Aber Tenille hatte niemanden sonst, der sie schützen konnte. Sie hatte so vielversprechende Anlagen, Jane wusste, sie konnte nicht einfach weggehen und das Kind seinem Schicksal überlassen.
Sie schlug ihren Kragen gegen den Wind hoch und ging durch die Siedlung zum Block D, dem höchsten der acht L-förmigen Gebäude, aus denen Marshpool Farm bestand. Er befand sich an der Nordseite und war zwei Stockwerke höher als die anderen Wohnblocks. Zu ihrer Überraschung war die hintere Eingangshalle frei von Müll und Graffiti. Es lag sogar der leichte Tannenduft eines Desinfektionsmittels in der Luft. Da sie in den achten Stock musste, würde sie zumindest mal probieren, ob der Aufzug funktionierte, dachte sie. Und er kam nicht nur, sondern er war innen so sauber, als wäre er einer aus den hohen Bürogebäuden von Canary Wharf. Wenn sie Beweise für John Hamptons Macht brauchte, sah sie diese hier vor sich. Wohnung Nr. 87 war gleich gegenüber dem Aufzug. Die Tür war dunkelrot gestrichen, ein starker Gegensatz zu dem schmuddeligen Graublau der anderen Türen auf dem Stockwerk. Stabjalousien an den Fenstern verwehrten den Blick nach innen. Jane straffte die Schultern und drückte auf die Klingel. Eine Weile passierte nichts. Dann ging die Tür auf, und ein kräftiger gemischtrassiger Mann Mitte zwanzig stand, mit einer Jogginghose bekleidet, in der Tür. Seine breite Brust hätte als ein lebendes Anschauungsmodell für einen Anatomiekurs dienen können, so groß und deutlich traten seine Muskeln hervor. Er starrte auf sie hinunter. »Wasn los?«, fragte er in schleppendem amerikanischem Akzent.
»Ich muss mit John Hampton sprechen«, sagte sie, ihre Stimme war eine halbe Oktave höher als sonst, und ihre Aussprache kam ihr selbst beängstigend bürgerlich vor. Der Mann schien belustigt. »Er erwartet Sie nicht.« Er wollte schon die Tür schließen.
Jane streckte eine Hand aus, um ihn aufzuhalten. Obwohl ihr klar war, dass sie nicht die geringste Chance gegen seine mächtigen
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