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Das Moor Des Vergessens

Das Moor Des Vergessens

Titel: Das Moor Des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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fragte sie sich. Wem glaubten sie etwas vorzumachen? Meinten sie etwa, die Leute würden den Mist nicht bemerken, wenn sie ihn so vorlasen, als sagten sie einem, man hätte in der Lotterie gewonnen? Der schonungslos heitere Ton hielt auch noch bei der zweiten Meldung an. »Die Polizei hat nach einem gefährlichen Feuer in einer Wohnung der berüchtigten Marshpool-Farm-Siedlung in Bow Ermittlungen zu einem Mord eingeleitet. Von der Feuerwehr, die den Brand bekämpfte, wurde die Leiche eines Mannes entdeckt. Detective Inspector Donna Blair, die die Ermittlungen leitet, hat gebeten, dass sich Zeugen melden sollen.« Eine andere Stimme sagte ausdruckslos: »Wir glauben, dass das Opfer eventuell erschossen und das Feuer gelegt wurde, um die Tat zu vertuschen. Wir fordern alle, die gestern Abend zwischen zehn und elf etwas Verdächtiges in oder um den Block G der Marshpool-Farm-Siedlung gesehen haben, auf, sich zu melden.«
    Tenille lachte belustigt. Keine guten Aussichten. Niemand würde den Hammer verpfeifen, wenn er seinen nächsten Geburtstag noch erleben wollte. Der Sprecher ging weiter zur nächsten Meldung über, und sie stellte den Ton leiser. Die Meldung hatte nichts Überraschendes enthalten. Sie wusste aus den Dokumentarsendungen zu Kriminalfällen, die sie sich angesehen hatte, dass das Feuer nicht die Tatsache verdecken würde, dass Geno erschossen worden war. Aber es gab die Hoffnung, dass es die Spuren zerstört hatte, die zu ihrem Vater führen könnten.
    Sie musste sich überlegen, ob sie sich nicht zeigen sollte. Sharon würde sich nicht zu sehr sorgen, wenn ihr die Polizei gesagt hatte, dass es in dem Feuer nur eine Leiche gab. Sie würde einfach annehmen, dass Tenille spät nach Hause gekommen war, und als sie die vielen Polizisten und die Feuerwehr sah, das getan hatte, was jeder Bewohner von Marshpool Farm tun würde: Sie tauchte unter. Aber sie sollte es nicht zu weit treiben. Sie beschloss, bis in den späten Nachmittag die Nachrichten zu verfolgen, sich dann zu melden und zu behaupten, sie hätte bei einer Freundin übernachtet, da sie zu große Angst gehabt hätte, zur Polizei zu gehen. Das würde genügen.
    Zwei Stunden später, als sie sich gerade online über Keats' »Ode an eine griechische Urne« unterhielt, wurde sie durch ein Klopfen an der Tür gestört. »Scheiße«, murmelte sie. Leise ging sie in Richtung Tür, schrak aber zusammen, als es noch einmal lauter und länger klopfte. Tenille schlich langsam zur Tür, machte sich leise an den Spion heran und riskierte einen schnellen Blick.
    Vor Überraschung fiel ihr die Kinnlade herunter. Den letzten Menschen, den sie vor Janes Tür erwartet hätte, war dieser Mistkerl Jake Hartnell. Es war doch ewig her, seit er sich davongemacht hatte. Jane hatte nicht viel dazu gesagt, aber Tenille hatte an ihrem Gesicht ablesen können, wie unglücklich sie war, als sie erzählt hatte, dass er nach Griechenland fahre. Jetzt sah es so aus, als hätte Griechenland nicht funktioniert, und der elende Wichser war zurückgekommen. Na ja, sie würde jedenfalls ganz bestimmt nicht aufmachen. Und sie hatte auch nicht die Absicht, Jane zu sagen, dass er hier angeklopft hatte.
    Die Postklappe an der Tür klapperte, und Tenille presste sich wieder flach an die Wand und hielt die Luft an. »Jane?«, rief er. Als ob das bewirken konnte, dass Jane angelaufen kam, dachte Tenille verächtlich. Sie blieb still stehen, denn sie wollte sicher sein, dass er weg war, bevor sie ins Arbeitszimmer flüchtete. Einige lange Sekunden vergingen, dann klapperte es noch einmal am Briefschlitz, und ein Blatt Papier aus einem Notizbuch fiel auf die Fußmatte. Tenille zählte bis sechzig, dann bückte sie sich und hob den Zettel auf. Erbost schüttelte sie ungläubig den Kopf, als sie ihn las. Liebe Jane, ich bin gerade aus Kreta zurück und gleich bei dir vorbeigekommen, aber du warst nicht da. Du hast mir gefehlt, und ich will dich sehen. Ich ruf dich später an und hoffe, wir können uns zu einem Drink oder Essen treffen. Hab dich lieb, Jake.
    Liebe, dachte Tenille. Erwachsene konnten sich so dumm benehmen. Man brauchte nicht gerade ein Genie zu sein, um zu begreifen, dass Jakes alberne Botschaft überhaupt keine Chance hatte, etwas zu erreichen. So wie er Jane gekränkt hatte, müsste er die Ware eines ganzen Blumenladens vor ihr ausbreiten, damit sie vielleicht überlegen würde, von ihm eine Flasche Sekt anzunehmen. Zumindest wäre es so, wenn Jane noch bei Trost war, was Tenille

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