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Das Moor Des Vergessens

Das Moor Des Vergessens

Titel: Das Moor Des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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stattdessen eine stille Ecke in der Hotelbar gesucht, wo sie verabredet waren, und die CAT-Bilder auf dem Tisch ausgebreitet. Ehrlich gesagt war dies wahrscheinlich die am wenigsten aufschlussreiche Untersuchung, die sie an der Leiche durchführen ließ, aber trotzdem hatte sie etwas über ihren Piraten erfahren. Dabei fragte sie sich, ob DCJ Ewan Rigston genauso schwierig zu enträtseln sein würde. Es war schon eine Weile her, seit River eine Beziehung in Erwägung gezogen hatte, die nicht nur rein beruflicher Natur war. Bittere Erfahrungen hatten sie gelehrt, dass die meisten Männer sich von ihrem Beruf abgestoßen oder aber auf unangebrachte Weise angemacht fühlten. Beide Reaktionen waren ihr nicht angenehm. Eigentlich war sie nicht überzeugt, dass Ewan Rigston anders sein würde, aber sie wollte ihn auch nicht ohne weiteres zurückweisen. Gedankenverloren trank sie einen Schluck von ihrem Tomatensaft und zwang sich dazu, zu ihren Gedanken über die Aufnahme, die sie vor sich hatte, zurückzukehren.
    Während sie eine Stelle eingehend betrachtete, die auf eine Schädelfraktur hinwies, zog Rigston den Stuhl ihr gegenüber unter dem Tisch hervor. »Ich störe, oder?«, sagte er mit entschuldigend gerunzelter Stirn. »Ich weiß, ich bin ein bisschen früh dran. Kann mich auch an die Bar setzen, bis Sie so weit sind, wenn Sie noch Arbeit haben.«
    »Nein, ich hab mir das nur angeschaut, um mir die Zeit zu vertreiben«, antwortete sie, und es überraschte sie, wie erfreut sie war, ihn zu sehen. »Ich bin auch zu früh da gewesen.« »Nehmen Sie noch einen?« Er zeigte auf die dünnen roten Reste in ihrem Glas. »Ja, danke.« Sie gab ihm das Glas. »Mit oder ohne Wodka?« »Ohne, ich muss fahren.«
    Er nickte und ging zur Bar hinüber. Er war ein kräftiger Mann, das ließ sich nicht bestreiten. Breite Schultern und kräftige Schenkel, die von seinem Konfektionsanzug nicht verborgen wurden, ein großer Kopf mit kurzgeschnittenem Haarkranz um die kahle Mitte, große Hände, in denen das kleine Glas fast verschwand. Sie dachte, er würde gut auf ein Rugbyfeld passen. Wahrscheinlich war er zehn Jahre älter als sie, aber beim Verhältnis Muskeln zu Fett lag er trotzdem vorne. Sie hatte den Verdacht, dass ihn seine Größe Frauen gegenüber vorsichtig machte, da er fürchtete, sie ungewollt zu verletzen. Ein plötzliches Verlangen überkam sie. Sie wünschte sich, seine mutmaßliche Rücksicht zu durchbrechen und es hemmungslos mit ihm zu treiben. »Nimm dich zusammen«, schalt sie sich leise.
    Als er mit ihrem Tomatensaft und einem Bier für sich zurückkam, hatte sie sich wieder unter Kontrolle, obwohl sie sich immer noch fragte, woher dieser Impuls gekommen war. Sie nahm ihren Drink und blätterte in den Unterlagen. »Ist das unsere Moorleiche?«, fragte Rigston. »Genau. Wir haben gerade Röntgenaufnahmen des ganzen Körpers und dazu CAT-Scans gemacht. Meine Vermutung, über die wir sprachen, hat sich bestätigt.« Sie zog eine Röntgenaufnahme heraus. »Sehen Sie ...« Sie strich mit dem Finger über die Stelle, um die es ging. »Eindeutig ein Schädelbruch. Er scheint von einem stumpfen Gegenstand mit rundem Endstück verursacht worden zu sein, der wahrscheinlich weniger als fünf Zentimeter Durchmesser hatte. Wenn ich raten sollte, würde ich bei der in Frage kommenden Zeit und dem Ort auf den Griff eines Spazierstocks oder so etwas Ähnliches tippen.«
    Rigston fuhr sich über eine Augenbraue, während er mit dem unbewegten Gesicht eines Menschen zuhörte, der daran gewöhnt ist, nichts zu verraten. »Verdacht auf eine nicht natürliche Todesursache.«
    River zuckte die Schultern. »Ich würde sagen, ja. Mord. Oder vielleicht wollte er jemanden berauben, der sich wehrte?«
    »Wir werden es nie erfahren.« Rigston trank einen großen Schluck von seinem Bier.
    »Aber wir wissen schon viele andere Einzelheiten«, sagte River. Sie zeigte auf die Kanten, wo die Schädelknochen aneinander stießen. »Sehen Sie sich diese Nähte an, mit dem Alter verwachsen sie nach und nach. Ich kann daran sehen, dass unser Mann etwa vierzig war, vielleicht ein paar Jahre jünger oder älter.« Sie blätterte in ihren Unterlagen und zog eine andere Röntgenaufnahme und zwei CAT-Aufnahmen heraus. »Und wir wissen auch, dass er mit Mitte zwanzig in die Schulter geschossen wurde.« Sie zeigte auf das Schulterblatt mit einer unregelmäßig runden Stelle, die zerfurcht und uneben aussah im Vergleich zu der glatten Struktur außen herum.

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