Das Moor Des Vergessens
es tatsächlich nur ihre sein konnte.
Tenille schlich in den Flur, damit sie besser hörte, was sich da tat. Die Antwort konnte sie klar verstehen, obwohl der Polizist leiser als Mrs. Gallagher sprach. »Das ist sehr nett von Ihnen, Ma'am, aber ich muss auf meinem Posten bleiben.« Ein lautes gurgelndes Lachen folgte. »Man könnte ja meinen, Sie bewachten die Kronjuwelen, mein Guter. Hören Sie, Sie haben doch mitgekriegt, was ich Ihrer Chefin gesagt habe. Diese Wände sind wahnsinnig dünn, es ist ein Ding der Unmöglichkeit, dass jemand da drin sein könnte, ohne dass ich es höre. Wenn Tenille kommt, werden Sie hören, wie sie an die Tür klopft. Aber auch wenn sie einen Schlüssel hätte, hören Sie, wenn die Tür aufgeht. Es bleibt nichts geheim in Marshpool, das können Sie mir glauben. Außerdem haben Sie doch überhaupt keine Chance, sie zu kriegen, solange Sie wie 'ne Niete da draußen stehen. Wenn sie die Treppe runterkommt, wird sie Sie sehen, weil Sie da oben rumstehen wie 'n großer Ochse. Und dann ist sie weg wie 'n Windhund, der den Hasen im Blick hat. Aber wenn Sie in meinem Wohnzimmer sitzen, könnten Sie sie hören, sich ranschleichen und sie überraschen.« Tenille konnte sich Mrs. Gallagher vorstellen, die Arme vor der mageren Brust verschränkt, Zigarette im Mundwinkel und einen Ausdruck schlauer Gewissheit im Gesicht.
Und sie hörte das Zögern in der Stimme des Polizisten. »Meinen Sie?«
»Ich weiß es. Hören Sie, ich kann Ihnen sagen, wann es nebenan Bohnen zum Abendessen gegeben hat. Kommen Sie, kommen Sie doch rein. Das Wasser kocht, in einer Minute hab ich Ihnen einen schönen Tee gebraut.« Tenille hörte die schweren Schritte des Polizisten, als er über die Schwelle in Mrs. Gallaghers Wohnzimmer trat, dann das Klappern der sich schließenden Wohnungstür und ihre gemurmelte Unterhaltung. Ihr war nicht klar, warum Mrs. Gallagher darauf aus war, ihr eine Chance zu verschaffen, aber sie wusste, dass sie diese auf jeden Fall nutzen würde. Tenille schlich zurück ins Wohnzimmer, holte ihre Jacke und ihren Rucksack und ging auf Zehenspitzen zur Tür. Sie machte sie leise einen Spalt auf und horchte, hörte aber nichts Außergewöhnliches. Dann machte sie die Tür langsam etwas weiter auf, sodass sie hinausschlüpfen konnte. Danach steckte sie den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn um, damit der Riegel wieder zurückglitt. Vorsichtig zog sie die Tür zu, ließ das Schloss einschnappen und zog ihren Schlüssel heraus. Sie drehte sich auf dem Absatz um und bewegte sich so vorsichtig wie auf rohen Eiern die Galerie entlang.
Beim nächsten Teil ihres Plans musste es dunkel sein, was mindestens noch eine Stunde dauern würde. Aber das machte nichts. Die Marshpool-Siedlung war ihr Revier. Sie würde kein Problem haben, sich bis dahin versteckt zu halten. Das Schwierigste war vorbei. Jetzt konnte sie loslegen.
Sobald wir uns für die Rückreise eingeschifft hatten, wurde mir klar, dass ich jetzt für die Freuden an Land würde büßen müssen. Gleich von Anfang an hatte Bligh an jeder Arbeit, die ich als Teil meiner Pflichten erledigte, etwas auszusetzen. Er beschimpfte mich vor den Männern, demütigte mich und warf mir die absurdesten Dinge vor. Und doch erwartete er noch immer, dass ich ihm in seiner Kajüte Gesellschaft leistete und ihm zuhörte, wenn er sich über die Kränkungen ausließ, die ihm von allen anderen zugefügt würden. Er nutzte diese Gelegenheiten, um mir meine Fehler vorzuhalten. Ich bemühte mich, dieses abscheuliche Benehmen mit Gleichmut zu ertragen, aber ich konnte ein so niederträchtiges Verhalten mir gegenüber nicht in alle Ewigkeit hinnehmen, Als er mich schließlich anklagte, widernatürliche Gefühle gegenüber Peter Heywood zu hegen und diese auf Tahiti ausgelebt zu haben, konnte ich mich nicht mehr zurückhalten und sprach sehr unbeherrscht zu ihm. Seine Antwort war, ich solle meine Zunge im Zaum halten oder ich würde den Rest der Reise hinter Gittern zubringen. Seine Selbstherrlichkeit verletzte mich tief, und sein Verhalten traf mich sehr.
16
Bis Judy im Dove Cottage ankam, hatte Jane ihren angeborenen Enthusiasmus wieder zurückgewonnen. Auf der Heimfahrt, das Fahrrad war im Kofferraum, erzählte Jane ihrer Mutter, was sie entdeckt hatte. »Ich bin nicht sicher, ob ich genau verstehe, worum es dabei geht«, sagte Judy. »Aber nach dem, was du sagst, glaubst du wohl, deine Idee könnte wirklich zutreffen? Dass Fletcher Christian
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