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Das Moor Des Vergessens

Das Moor Des Vergessens

Titel: Das Moor Des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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herauskommen konnte, ließ sie ihren Rucksack durch das Loch fallen. Er landete auf einem Stoß Kartons nicht weit unter ihr. Sie fand, es sei sicher.
    Innerhalb von zehn Minuten hatte sie sich mit einer Schlabberhose, einem Polohemd, einem weiten Hemd zum Darüberziehen und einer wasserdichten Jacke, dazu mit einer Baseballmütze ausgestattet. Alles hatte die passenden Markenzeichen, damit sie als cooler Typ durchgehen konnte. Es waren natürlich sämtlich gefälschte Waren. Sie hatte auch noch eine Extrahose und zwei T-Shirts genommen und in ihren Rucksack gestopft. Alles klar. Jetzt musste sie nur wieder rauskommen.
    Die Kartons zu einem hohen Turm aufzustapeln war schwieriger, als sie erwartet hatte. Es schien eine Ewigkeit zu dauern und war harte Arbeit. Als sie endlich eine Pyramide aufgebaut hatte, die sie besteigen konnte, keuchte und schwitzte sie. Nur der verzweifelte Wunsch, nicht erwischt zu werden, trieb sie voran.
    Endlich, fast eine Stunde nach dem Einbruch in die Garage, war sie wieder auf dem Dach. Sie ließ sich, so weit sie konnte, hinunter, sprang die restlichen zwei Meter in die Tiefe, und jeder Knochen ihres Körpers erzitterte, als sie auf dem harten Beton landete. Sie zog ihren Busfahrplan aus der Tasche. Um den letzten Bus nach Oxford nicht zu verpassen, musste sie zur Victoria Station. Schaff ich locker, dachte sie und lief mit angeberisch schaukelnden Schritten in die Nacht hinaus. Sie war auf Achse.
    Barbara Fields kleines Cottage sah wie ein Denkmal zu Ehren der ländlichen Blumenpracht Englands aus. Rosen wucherten üppig auf ihrer Couchgarnitur, Klematis kletterten und wanden sich an ihren Gardinen empor, und die Tapete wartete mit mehr Wildblumensträußen auf, als ein Muttertag normalerweise zu bieten hatte. Überall waren getrocknete Blumenarrangements, und an den Wänden hingen gerahmte Kreuzstichbilder mit Landhausgärten. Jane dachte, eigentlich musste es eine Exkursion zu Barbaras Wohnzimmer geben. Barbara hatte sie mit den Worten begrüßt: »Wir trinken eine Tasse Tee, und du kannst mir sagen, was du suchst. Dann gehen wir ins Büro und sehen mal nach, was wir ausgraben können.« Keineswegs überraschend waren auch auf der Tasse Blumenmotive: eine Hecke mit Primeln und Schlüsselblumen. Barbara hatte Jane, die erklärte, was sie zu finden hoffte, aufmerksam zugehört und gelegentlich übertrieben verständnisvoll genickt, was bewirkte, dass Jane sich sehr jung und sehr dumm vorkam. Aber Bossy Barbara, wie Jane sie in ihrer Kindheit genannt hatte, hatte ihr immer schon das Gefühl gegeben, sehr jung und sehr dumm zu sein. Ihre Frisur, die so fest wie ein Motorradhelm und so perfekt wie eine permanent gestärkte weiße Bluse aussah, die niemals Flecken von Soße, Tinte oder der Gartenarbeit aufwies, ließ einen vermuten, sie ziele absichtlich darauf ab, allen anderen das Gefühl der Unterlegenheit zu geben, dachte Jane. »Na, das klingt ja alles sehr einfach«, sagte Barbara munter am Ende ihres Berichts. »Gehen wir doch mal und sehen nach, welche Tricks uns die Zauberkiste zeigen kann«, fügte sie hinzu und erinnerte Jane damit an ihre Angewohnheit, alles mit absurden Umschreibungen zu versehen. Sie scheuchte Jane aus dem Zimmer und durch den Flur in einen Raum, an den diese sich vage aus ihrer Jugendzeit als »das Familienzimmer« erinnerte. Das hatte sie schon immer verwirrt, da Barbara und Brian Field keine Kinder hatten. Es war, meinte sie, genauso seltsam wie Barbaras Begeisterung für die Ahnenforschung, da ja ihre eigenen Gene mit ihr untergehen würden. Aus dem Zimmer war ein erstaunlich schlichtes Büro mit einem Computertisch, einem Arbeitstisch mit drei Stühlen und einem tragbaren Fernseher auf einem kleinen Rollwagen geworden. Statt der gestickten Bilder waren die Wände hier mit Stammbäumen bedeckt, die mit kunstvoller Schönschrift ausgeführt waren. »Mein Heiligtum«, sagte Barbara zufrieden. »Brian hat seinen Pflanzschuppen, ich habe meinen kleinen Schrein für unsere Vorfahren.« Sie zog einen der Stühle vom Tisch zum Schreibtisch hinüber und stellte ihn schräg neben ihren eigenen Bürostuhl. »Also, sehen wir mal nach, was die Datenautobahn uns über Dorcas Mason zu sagen hat.«
    Es überraschte Jane, wie flink ihre Finger über die Tasten glitten, denn sie war mehr an das Zweifingersystem ihrer Mutter bei deren Ausflügen in die Buchführung der Farm gewöhnt. »Das machen Sie aber sehr gut«, sagte Jane. Barbara lächelte affektiert. »Ich sehe mich

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