Das Moor Des Vergessens
gern so, dass ich immer das Beste herausgeholt habe, wenn ich mich mit etwas beschäftige. Ihr jungen Leute schreibt uns ja alle ab, sobald wir uns einen Seniorenpass für den Bus geholt haben, aber auf einer alten Geige lässt sich noch manch schöne Melodie spielen.«
Jane biss die Zähne zusammen und lächelte. »Ich würde doch nicht so einfältig sein, Sie zu unterschätzen, Mrs. Field.«
Barbara öffnete ihre Favoritenliste und klickte auf »County-Archiv«. Während sie tippte und klickte, erklärte sie Jane alles. »Als ich anfing, unsere Stammbäume zusammenzutragen, hieß das, die Bücher in den Pfarreikirchen durchzusehen. Aber jetzt werden die meisten Kirchenbücher zentral in den Archiven der Grafschaft aufbewahrt, und man kann sie für eine kleine Gebühr einsehen. Die Daten der Volkszählung stehen im Internet und genauso die Testamente ab 1858, als das Nachlassgericht eingesetzt wurde. Und dann sind da natürlich noch die Mormonen.«
»Die Mormonen?« Jane bemühte sich, höflich statt verblüfft zu klingen, da ihr das Gehörte vollkommen unlogisch erschien.
»Sie haben eine riesige genealogische Datenbank. Ich glaube, der Gedanke dahinter ist, die Toten zu taufen ...« Barbara verstummte zerstreut, weil sie Befehle in die Suchmaschine eingab. »Also, Dorcas Mason, sagtest du?« »Genau.«
»Wissen wir, wann sie ungefähr geboren wurde?« »Sie arbeitete 1847 als Dienstmagd für die Familie Wordsworth, da muss sie mindestens vierzehn Jahre alt gewesen sein. Also irgendwann vor 1833.«
»Suchen wir mal ab 1800«, sagte Barbara, tippte die Daten ein und klickte schwungvoll mit der Maus herum. Es vergingen Sekunden, dann erschien eine Nachricht auf dem Bildschirm: 1 Eintrag gefunden. Bitte geben Sie Ihr Passwort ein.
Barbara sah Jane vielsagend an. Aber die brauchte einen Moment, bis sie begriff, dass sie wegschauen sollte, während Barbara ihr persönliches Passwort eingab. Als sie wieder auf den Bildschirm sah, waren Auszüge aus den Kirchenbüchern zu sehen. Dorcas Mason war am fünften April 1831 in Cockermouth im Sheepfold Cottage der Gemeinde Brigham als Tochter von Thomas und Jean Mason geboren worden. Ihr Vater war mit dem Beruf eines Hufschmieds eingetragen, und sie war drei Wochen später getauft worden. Barbara wandte sich mit einem triumphierenden Lächeln an Jane. »Das Wunder der modernen Technik«, verkündete sie, als sei es ganz allein ihre Erfindung. »Ich drucke es dir aus.« »Das ist toll«, sagte Jane, und ihre Stimmung hellte sich auf bei dieser ersten offiziellen Spur von der Frau, die Williams geheimnisvolles Manuskript weggebracht hatte. »Und das hilft mir sehr. Aber eigentlich bin ich mehr an dem interessiert, was später mit ihr passierte. Sie soll den Haushalt der Wordsworths 1851 verlassen haben, um zu heiraten. Wird es Unterlagen zu Heirat und Kindern geben? Und von ihrem Tod?«
»Natürlich.« Barbara wandte sich wieder dem Bildschirm zu und gab die Suchbefehle ein. Diesmal war die Wartezeit etwas länger und die Antwort weniger zufriedenstellend: 0 Einträge gefunden. Jane war enttäuscht. Sie hatte das Gefühl gehabt, als sei Dorcas konkret fassbar gewesen, nur um ihr wieder weggeschnappt zu werden. »Wie ärgerlich«, sagte Barbara. »Bestimmt ist sie doch nicht einfach verschwunden.« »Nein. Zu dieser Zeit war die Gesellschaft schon eher geordnet. Ohne Eintragung in die Bücher schlossen die Leute keine Ehe oder bekamen Kinder. Entweder heiratete sie und lebte mit ihrer Familie in einer Gemeinde, deren Bücher nicht in der Datenbank online sind, was öfter vorkommt, als mir lieb ist.« Barbara sprach davon, als sei dieses Versäumnis eine gegen sie persönlich gerichtete Kränkung. »Oder sie hat außerhalb der Grafschaft geheiratet und ist weggezogen.« »Wie würde ich herausfinden, was der Fall war?« Barbara zog scharf die Luft ein. »Na ja, weißt du, wie du die Sache angehst, das ist ziemlich ungewöhnlich. Normalerweise arbeiten sich die Leute rückwärts vor. Sie wissen ungefähr, worauf sie zusteuern, weil jedes Dokument ihnen Hinweise darauf gibt, wo sie nach dem nächsten suchen können. Wenn man sich nach vorwärts durcharbeitet, ist das eine ganz andere Sache, weil wir keine Ahnung haben, wo anfangen. Wenn sie keinen Mann von hier geheiratet hat, hätte deine Dorcas schließlich irgendwo anders im Land leben können. Sogar in Schottland.« Barbara sprach dieses Wort aus, als rede sie von den fernen Weiten der Galaxie. »Was kann ich also als
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