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Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten.

Titel: Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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denke doch«, sagte Max grinsend. »Sie haben si­cherlich die richtige Positur.«
    »Einen Augenblick«, sagte Fletcher.
    »Wozu? Du weißt doch, warum wir hier sind. Das hast du ganz prima gemacht. Meinen Glückwunsch, Fletch.«
    »Wartet!«
    Diesmal war es Carol. Sie sah nicht gut aus, und der wil­de Blick in ihren Augen machte es nicht besser.
    »Ich mache da nicht mehr mit!« sagte sie. »Hörst du, Max? Ich will keine Fotos! Sie haben gehört, was ich ge­sagt habe!« Sie stampfte lautlos mit dem Fuß auf den Tep­pich. »Ich lasse nicht irgend so eine billige Nutte ...« Sie hielt inne, und Tränen traten in ihre Augen. »Kümmert euch nicht drum. Ich mache da ganz einfach nicht mehr mit. Wenn er die Scheidung haben will, dann soll er mit mir darum kämpfen!«
    Sie starrte die Frau im Bett an. Dann stolzierte sie aus dem Zimmer 806 und warf die Tür hinter sich zu.
    »Himmeldonnerwetter!« sagte Max. »Siehst du, was du angestellt hast, Fletch! Ich hoffe, du bist ordentlich stolz auf dich …«
    Nach dem breiten und törichten Grinsen auf Fletchers Gesicht zu urteilen, war er das.

Eine neue Antwort
    S ie hatten einen ganzen Marmorbruch geplündert, um das Traumschloß zu erbauen, in dem Wilson Crandall lebte. Die vordere Eingangshalle war mit säuberlich gefüg­ten Quadraten gelb geäderten Lumachelle-Marmors aus Frankreich ausgekleidet. Säulen aus feinstem Carrara­Marmor strebten im Salon in schwindelnde Höhen. Er mochte den hallenden Klang des Marmors unter seinen Fü­ßen, die Glätte und Kühle des Steins unter seinen Händen.
    Zu seinem sechzigsten Geburtstag verehrte ihm die Eu- genische Regierung zwei Marmorstatuen. Die eine Statue stellte ihn selbst dar, und der Bildhauer hatte sein zer­furchtes Gesicht, seine feinen, adlerartigen Züge und sei­nen großen, stolzen Leib mit den muskulösen Armen und der breiten Brust gut herausgearbeitet.
    Die andere Statue stellte die Frau dar. Ihre Konturen wa­ren mit unendlicher Weichheit gestaltet. In richtiger Weise neben seinem Standbild postiert, blickte sie in demütiger Bewunderung zu Crandall auf.
    Die Schenkungszeremonie war wie stets sehr eindrucks­voll. Ein Chor von mehreren hundert Nachkommen Cran- dalls sang ihm zu Ehren. Der Präsident der Eugenischen Re­gierung enthüllte die Statuen – begleitet von den Ahs und Ohs Zehntausender von Crandall-Müttern und -Kindern.
    Als aber die Menschenmenge die weitläufige Rasenflä­che vor seinem Palast wieder verlassen hatte, war Wilson Crandall traurig.
    Er ließ seinen guten Freund Alfred Newman zu sich rufen, der zum Stab der vierzehn, ausschließlich für sein Wohl­ergehen zuständigen Ärzte gehörte.
    Newman traf unmittelbar nach dem Abendessen ein. Er fand Crandall im Salon, matt in einem pneumatischen Lehnstuhl hingestreckt und exquisiten Weinbrand aus Est­land schlürfend.
    »Na«, sagte er, über den marmornen Boden schreitend, »das ist mir wirklich eine schöne Art, seinen Geburtstag zu verbringen.«
    »Ich wollte allein sein«, sagte Crandall. »Aber dann ha­be ich zuviel nachgedacht, gebrütet. Ich dachte, wir könn­ten ein wenig Schach spielen.«
    »Gute Idee«, sagte der Doktor mit bemühtem Enthu­siasmus. Er war ein rotgesichtiger Mann mit einem stets fröhlichen Gesichtsausdruck, der dem Gedanken an Hor­mongaben und Pigmentpillen widerstanden hatte und sein zerfurchtes Gesicht und schütteres weißes Haar anzeigen ließ, daß er fünfundsiebzig war.
    Bevor noch eine Figur auf dem marmornen Schachbrett bewegt worden war, sagte Crandall: »Ich habe über die Statue nachgedacht, Alfred. Sie zeigt eigentlich keine gro­ße Ähnlichkeit.«
    »Wirklich nicht? Mir erschien sie hervorragend.«
    »Deine Augen lassen nach. Du und deine anderen Lei­chenschänder, ihr habt mich in der letzten Woche unter­sucht. Ich habe nicht mehr den Körper eines Knaben, und du weißt das.«
    »Nun, ein bißchen künstlerische Freiheit …«
    »Ich bin sechzig Jahre alt.« Crandall nahm den elfenbei­nernen König auf und drehte ihn in seinen Fingern. »Seien wir doch ehrlich, Alfred.«
    »Das hat heute nichts zu sagen, Wilson. Du bist in der Blüte deiner Jahre. Die letzte Spermienzählung, die wir bei dir vorgenommen haben, war ausgezeichnet. In den nächsten vier Monaten werden fünfundvierzig- bis fünf­zigtausend Crandallkinder geboren werden ...«
    Crandall zuckte mit den Achseln, und sie begannen das Spiel. Sie spielten schweigend, bis Crandall die Königin des Doktors durch eine kunstvoll

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