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Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten.

Titel: Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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Mann, der fast ein halbes Jahr lang im Zölibat gelebt hatte.
    »Warum? Weil sie sich zu schnell an mich gewöhnt hat, darum. Sechs Monate waren wir verheiratet, aber es hätten auch sechzig Jahre sein können. Der Anblick eines neuen Dampfkochtopfes erregte sie mehr, als wenn sie mich im Haus erblickte.«
    Harriet schnalzte mit der Zunge.
    »Vielleicht habe ich zuviel erwartet«, sagte Fletcher dü­ster. »Vielleicht sind alle Frauen so. Aber bei ihr war das schon übermäßig stark ausgeprägt …«
    »War es wirklich so schlimm?«
    »Ach, ich weiß auch nicht«, seufzte Fletcher. Er machte seine Schnürsenkel auf. »Vielleicht übertreibe ich. Viel­leicht war’s auch meine Schuld. Vielleicht sollte ich das alles gar nicht erzählt haben.«
    »Sie hatten Streit?«
    »Ein wahres Prachtstück. Ich meine, ein Prachtstück von Streit. Das ist ja mein Problem. Ich errege mich und kann dann nicht mehr aufhören. Ich kann dann einen Haufen Zeug sagen, das ich gar nicht so meine, dumme Sachen, wie so’n Kind.«
    »Und da ist sie weggelaufen?«
    »Ja.« Fletcher stellte seine Schuhe unter das Bänkchen.
    »Ich ersticke in diesem Kleid«, sagte Harriet. »Ich mag’s, weil es gut aussieht, aber es ist so verdammt eng. Macht’s Ihnen was aus, wenn ich’s ausziehe?«
    »Nein, natürlich nicht. Sieht wahrscheinlich besser aus. Auf dem Foto, meine ich.«
    Sie hüpfte vom Bett und zog sich das Kleid über den Kopf. Sie trug nicht das geringste darunter, und Fletcher bereute seine schnelle Zustimmung zu ihrem Vorschlag. Sie hüpfte wieder aufs Bett zurück, und alles hüpfte mit ihr. Fletcher zündete sich eine Zigarette an, um seine Ner­vosität zu verbergen. Sie sagte: »Kann ich auch eine ha­ben?«
    »Klar.« Er wollte ihr die Schachtel zuwerfen, besann sich dann aber anders und brachte sie ihr. Sie nahm eine heraus, und er gab ihr Feuer.
    »Auwei, Ihre Hände zittern aber«, sagte sie. »Entspan­nen Sie sich. Sie werden in einer halben Stunde hier sein, dann ist’s vorbei. Sagen Sie mal, warum setzen Sie sich nicht aufs Bett? Ist doch viel bequemer als das Bänkchen da.«
    Er setzte sich und sagte schnell: »Wissen Sie, was das Problem mit Carol ist? Sie ist zu praktisch, zu nüchtern. Bevor wir heirateten, hatte sie ihr eigenes Geschäft, eine Stellenvermittlung. Sie ist daran gewöhnt, daß alles sauber und geschäftsmäßig abläuft …«
    Harriet stellte einen Aschenbecher in seinen Schoß. Sie langte herüber, um ihre Zigarettenasche abzustreifen, und ihr nackter Arm berührte den seinen.
    »Sie erregt sich nicht genug«, sagte Fletcher und leckte seine trockenen Lippen. »Nichts kann sie aufregen. Selbst als sie mich verließ, war das eher wie das Zerbrechen ei­ner Partnerschaft als einer Ehe. Verstehen Sie, was ich meine?«
    »Wie spät ist es?« fragte Harriet.
    »Fünf nach halb neun.«
    Sie gähnte und reckte sich, und Fletcher fand, daß er die Auswirkungen dieses Tuns mit unverhohlenem Inter­esse beobachtete. Als sie dann ihre Arme wieder sinken ließ, ergriff er ihr Handgelenk und ließ seine Finger an ihrem Unterarm hinaufgleiten. Dabei sprach er weiter, als sei nichts. Harriet schloß die Augen und lächelte schläf­rig.
    »Ich mag Carol wirklich«, sagte Fletcher heiser. »Ich glaube, ich liebe sie noch immer. Es ist halt nicht so ein­fach, alles so hinzukriegen, daß es klappt …«
    Seine Hand folgte der Biegung ihres Armes und berührte ihre Schulter. Dann stellte er den Aschenbecher auf den Boden und beugte sich über sie, um versuchsweise einen Kuß auf ihre vollen Lippen zu drücken. Sie lächelte, wes­halb er sie wieder küßte. Sie murmelte: »Wir haben noch Zeit.«
    Fletcher sah nicht auf die Uhr, um das zu überprüfen. Er vergaß vollkommen, daß er überhaupt eine Uhr besaß. Sie tickte dreißig Minuten lang, ohne daß er auch nur ein ein­ziges Ticken gehört hätte.
    Dann wurde die Tür aufgestoßen.
    Natürlich war alles vorher sorgfältig arrangiert worden: seine Frau Carol, sein Anwalt Max – und Bennet, der phlegmatische Herr von der Detektei, der die Kamera in der Hand hielt. Alles war genau vorherberechnet; es be­stand kein Grund zu Überraschung.
    Fletcher aber war überrascht. Er glotzte sie an, als wären sie die allerletzten Besucher der Welt, die in Zimmer 806 zu sehen er erwarten konnte.
    Max sprach als erster.
    »Na«, sagte er sarkastisch, »das nenne ich mal eine or­dentliche Inszenierung, Fletch.«
    »Soll ich Fotos machen?« Der Detektiv hob die Kamera.
    »Ich

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