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Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten.

Titel: Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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sein würde. Fletcher hatte we­nig Erfahrung mit professionellen Dirnen, er verdankte seine Vorstellungen vielmehr Romanen und Männerge­sprächen. Aber schließlich war dies hier ja auch eine spe­zielle Aufgabe, die wahrscheinlich einen gehobeneren Typ von Frau erforderte.
    »Schon lange verheiratet?« fragte sie. »Ach ja, mein Name ist Harriet.«
    »Erst ein Jahr«, sagte Fletcher. »Keine Kinder, Gott sei Dank. Um ehrlich zu sein, ich mach mir nicht viel aus die­sem Unternehmen. Aber wir dachten, dies wäre vielleicht einfacher als Reno oder irgendein anderer Ort.«
    »Ja, natürlich«, sagte die Frau mitfühlend.
    »Eine blöde Situation. Ich meine, man könnte glauben, wir lebten noch im Mittelalter oder so was. Es gibt tausen­derlei Gründe für eine Scheidung, selbst in New York. Außer Ehebruch, meine ich.« Er trank sein Glas aus.
    »Gewiß«, sagte Harriet. »Ich verstehe, was Sie sagen wollen. Wir haben das Zimmer 806, wenn Sie jetzt hi­naufgehen möchten.«
    Fletcher sah finster in sein leeres Glas. »Warum nicht?«
    Er blickte sie nicht direkt an, als sie aufstanden. Aber auch ohne einen solchen direkten Blick wußte er, daß Max eine gute Wahl getroffen hatte. Jedenfalls für den vorgese­henen Zweck. Sie war von einer ganz offenen Sinnlichkeit.
    An der Tür von Zimmer 806 angekommen, steckte sie den Schlüssel in das Schloß und lächelte ihn an. Es war ein Hotelzimmer vom Fließband, aber Fletcher kam es so vor, als sei das Bett unverhältnismäßig groß und ins Auge fallend. Harriet ging hinein und setzte sich auf die Bett­kante. Sie schüttelte ihre Schuhe von den Füßen und schien sich ganz zu Hause zu fühlen.
    »Ich verstehe nicht viel von diesen Dingen«, sagte Flet­cher. »Ich nehme an, Sie haben ... Erfahrung mit dieser Art von Job?«
    »O ja. Und es ist eine schöne Arbeit. Ich meine, man be­gegnet vornehmeren Menschen, und außerdem … na ja, Sie wissen schon.«
    Das traf zu, aber er sprach nicht darüber. Er sagte: »Was muß ich als nächstes tun?« – und kam sich bei dieser Fra­ge albern vor.
    »Ach, machen Sie sich’s einfach bequem. Legen Sie Ihr Jackett ab und den Schlips, vielleicht auch die Schuhe. Noch besser, wenn Sie auch das Hemd ausziehen. Ich meine, das sieht dann auf den Fotos besser aus. Es werden doch Fotos gemacht?«
    »O ja. Der Detektiv bringt eine Kamera mit, damit es gar keinen Zweifel geben kann. Meine Frau kommt auch. Das macht Ihnen doch nichts aus?«
    »Warum sollte es?« Sie hob die Arme und zog ihr kurzes Bolerojäckchen aus. Das dazu passende Kleid darunter lag eng an, und sein eckiger Ausschnitt reichte tief herab.
    »Ich wollte nicht, daß sie mitkommt«, sagte Fletcher, der mit den Händen im Schoß auf dem Frisierbänkchen saß. »Das war wirklich nicht unbedingt erforderlich. Aber in gewisser Hinsicht ist Carol ein nüchternes Mädchen. Und sie dachte, es wäre nur fair.«
    »Klingt, als wäre sie nett.«
    »Sie ist nett. Deshalb wollte ich ja, daß sie zu Hause bleibt, bis diese Sache hier vorbei ist.«
    »Warum legen Sie nicht Ihr Jackett ab?« sagte Harriet. »Ist sie hübsch?« »Carol? Aber ja, ich finde sie jedenfalls hübsch. Ich meine, sie ist nicht so eine Reklameschönheit oder so was, aber man kann nicht bestreiten, daß sie hübsch ist.« Er entledigte sich seines Jacketts und seiner Krawatte und legte sie auf den Stuhl neben sich.
    »Darf ich Sie etwas fragen?«
    »Gewiß doch.«
    »Waren’s die angeheirateten Verwandten oder so was? Das geht mich zwar nichts an ...«
    »Nein, nein, die waren es nicht. Es war nichts Besonde­res, nichts, worauf man den Finger hätte legen können. Sie hatte ihre Vorstellungen, ich hatte die meinen, na ja, Sie wissen ja, wie das ist.«
    Harriet hob ihren Rock und begann, einen Strumpf her­unterzurollen. »Sie werden mich nicht für zudringlich hal­ten?«
    »Wieso?«
    »Wenn ich etwas sage?«
    »Nein.«
    »Ich denke, daß Sie sie vielleicht immer noch lieben.«
    »Habe ich was anderes gesagt?« Fletcher wandte den Blick von ihrem nackten Knie und sah statt dessen sein eigenes mürrisches Gesicht im Spiegel des Frisiertisch­chens. »Diese Scheidung war nicht meine Idee«, sagte er zu seinem Abbild. »Carol ging auf und davon, nicht ich. Sie wollte es so, also kann sie es so haben. Zum Teufel, ich werde sie zu nichts zwingen.«
    »Aber warum?« Harriet lehnte sich auf dem Bett zu­rück. Fletcher sah sie im Spiegel an und schluckte schwer. Sie bot nicht eben einen beruhigenden Anblick für einen

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