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Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten.

Titel: Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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Knete, wie Sie haben wollen. In Grenzen«, fügte er sanft hinzu, »in Grenzen, Mr. Maitland.«
    »Ich glaube, du gehst besser«, sagte der alte Mann. »Ich glaube, dir ist nicht ganz wohl, Salvadore.«
    »Hunderttausend Dollar, Mr. Maitland. Wie gefällt Ih­nen das? Würden Sie dafür den Tauschhandel machen?«
    »Ist das wirklich dein Ernst?«
    »Ich werde Ihnen den Scheck morgen vorbeibringen; genug Geld, daß es für den Rest Ihres Lebens ausreicht.«
    Der alte Mann lachte leise. »Abgemacht«, sagte er. »Ich weiß nicht, was das für eine Verrücktheit bei dir ist, Sal­vadore. Aber abgemacht.«
    Am nächsten Morgen erwachte Salvadore Ross mit Trä­nen auf seinen Wangen. Er fuhr mit der Hand darüber und schaute staunend auf seine feuchten Fingerspitzen. Wor­über weinte er? Was für einen blödsinnigen Traum hatte er in der vergangenen Nacht gehabt?
    Er zuckte die Achseln, stand auf und kleidete sich lang­sam an. Er frühstückte, und die seltsam traurige Stimmung hielt an. War das das Mitgefühl, um das er gefeilscht hat­te? Dieses Gefühl der Melancholie, diese ungewollten Tränen? Er ertappte sich dabei, wie er Menschen auf der Straße mit eigentümlichem Mitgefühl ansah und dabei nachzuempfinden vermochte, was er in ihren Gesichtern las. Ein Schnorrer haute ihn an, und er drückte ihm einen Fünf-Dollar-Schein in die schmutzige Hand. Ein Kind wurde auf der Straße ausgeschimpft; er wollte hingehen und es trösten. Er dachte an Leah, und seine Gedanken waren vielschichtiger und wunderbarer als alle Gedanken, die er je gehabt hatte; es war ihm, als sei sie in diesem Augenblick schon bei ihm, als liebe sie ihn.
    Er winkte einem Taxi und fuhr zu Leahs Wohnung.
    »Mr. Maitland?« Er klopfte kräftig an die Tür, denn er brannte darauf, das gütige Gesicht des alten Mannes zu sehen, die Hand von Leahs Vater zu berühren. Die Tür öffnete sich.
    »Hallo, Mr. Maitland«, lächelte Sal, »Mann, ist das gut, Sie zu sehen.«
    »Komm rein«, sagte der alte Mann. »Hast du den Scheck mit?«
    »Habe ich«, sagte Sal.
    »Ist er bestätigt?«
    »Es ist ein Barscheck, so gut wie bares Geld also.«
    »Leg ihn auf den Tisch«, sagte Maitland kalt.
    Sal wollte eine kleine Rede halten, irgend etwas sagen, das jenen verstehen ließe, was er fühlte, aber seine Emo­tionen waren größer als sein Wortschatz. Er langte in seine Tasche, nahm den Scheck heraus und legte ihn sorgfältig neben dem alten Mann auf das Tischtuch.
    Dann wandte er sich Leahs Vater zu, und ein Lächeln verschönte sein Gesicht, als er die Hand ausstreckte.
    Der alte Mann ergriff sie nicht. Seine Gesichtszüge wa­ren steinern. Er zog das Tuch in seinem Schoß beiseite – und da wurde eine Pistole sichtbar, die er fest in der Hand hielt. Das Lächeln stand noch auf dem Gesicht von Salva- dore Ross, als der alte Mann abdrückte und ihn tötete – ohne Zögern, ohne Gnade, ohne Mitgefühl.

Verabredung auf Zimmer 806
    F letcher betrat die Saville Bar des Hotels. Er sah aus wie jemand, der den Drink wirklich brauchte, den er bestellte. Normalerweise war er ein ordentlich gekleideter, militärisch kurz geschorener und glattrasierter Mann, aber seit ihn seine Frau vor fast vier Monaten verlassen hatte, war er Spiegeln gegenüber zurückhaltend, Friseurläden gegenüber gleichgültig und Reinigungen gegenüber saum­selig geworden.
    Er ließ sich Zeit damit, die Barbesucher an den kleinen Tischen zu mustern, denn er wollte vermeiden, daß seine Suche auffiel. Natürlich war es leicht, sie ausfindig zu machen. Sie trug eine rote Rose, wie Max, sein Rechts­anwalt, es gesagt hatte. Sie war an das Oberteil ihres Kleides geheftet, als handele es sich um irgendein lächer­liches Erkennungszeichen balkanischer Spione. Von der Bar aus vermochte er nicht zu sagen, wie sie aussah, ganz gewiß aber nicht billig. Dem Himmel sei Dank, dachte Fletcher.
    Er nahm sein Glas und ging zu ihrem Tisch. »Ich bin Harry Fletcher«, sagte er in streitsüchtigem Ton. Sie lä­chelte zu ihm auf, und er sah, daß sie wirklich eine schöne Frau war, voll erblüht, blond und mit Händen, die begabt aussahen. Er setzte sich und schob den Stuhl zurück, damit sich ihre Knie nicht berührten.
    »Wollen wir erst noch was trinken«, sagte sie, »oder möchten Sie gleich nach oben gehen?«
    »Lassen Sie uns doch austrinken«, sagte Fletcher. Sie hatte eine angenehme Stimme, und ihre Sprache verriet Bildung; er wußte auch nicht, warum er erwartet hatte, daß sie heiser und unangenehm

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