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Das Mordhaus (German Edition)

Das Mordhaus (German Edition)

Titel: Das Mordhaus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moe Teratos
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alte Frau. Sie war mir fremd. Trotzdem warf ich mich in ihre Arme und weinte mich bei ihr aus.
    Sirenen kamen näher. Polizei und Krankenwagen waren auf dem Weg. Ich ließ von der alten Frau ab und richtete meinen Blick erneut auf Jenny. Ihr junger Leib war verdreht. Oberkörper und Hüfte gin gen keine Symbiose mehr ein. Sie schienen nicht zum selben Körper zu gehören. Die Arme und Beine waren an mehreren Stellen gebro chen und überall bohrten sich Knochen durch das Fleisch. Ihr Ge sicht war das Schlimmste. Es war – bis auf eine kleine Schramme über der rechten Augenbraue – unver letzt. Ihre Augen waren ge schlossen. Wenn man den Rest des Körpers nicht beachtete, hätte man denken können, sie schliefe.
    Dann ging alles schnell. Die Polizisten zogen mich von meiner Tochter weg, vernahmen und bemitleideten mich. Ich wurde nach Hause geschickt und wartete auf die Beerdigung. Der ande re Fahrer hatte überlebt. Ihm konnte ich keine Vorwürfe machen. Die Schuld am Unfall hatte meine Frau. Ich war überzeugt, dass sie sich weiter mit Jenny gestritten hatte und deshalb in den Ge genverkehr geraten war. Mehr war da nicht. Ich hatte also keine Ahnung, worauf Her mann anspielte. Die ungeschönte Wahrheit spielte sich schließlich Nacht für Nacht in meinen Träumen ab und seit heute auch tags über. Was also meinte er?
    Ich stand auf und ging zu ihm an den Spielautomaten.
    »Bist du aus deiner Trance erwacht?«
    »Ich habe über den Tag nachgedacht. Ich verschweige dir nichts. Jedes Detail habe ich vor dir ausgebreitet und dir sogar den Polizei bericht besorgt. Du solltest wissen, dass ich nichts aus gelassen habe.«
    »Wir werden sehen«, brummte er. »Wir werden sehen ...«
     
     
    2. Tag – Mittwoch
    Kapitel 3
     
    Der Wecker quäkte unerbittlich laut und riss mich aus dem Schlaf. Das kam nicht oft vor. Normalerweise wachte ich durch meine Albträume auf. Aber das Bier vom gestrigen Abend und die Gesellschaft von Hermann hatten mich todmüde ins Bett fal len und die Nacht durchschlafen lassen. Ich blieb noch einen Mo ment liegen und rieb mir die Augen. Der Tag versprach gut zu wer den. Ich fühlte mich fit wie lange nicht mehr. Den mittlerwei le ein geübten Griff zu meiner Pistole ließ ich an diesem Morgen aus. Ich hatte nicht das Bedürfnis, sie mir an den Kopf zu halten und wie immer bei dem Versuch, mein Gehirn in der Wohnung zu verteilen, zu scheitern. Das war ein positives Zeichen. Ich hat te nicht mehr daran geglaubt, solch einen super Start in den Tag zu erleben. Hatte ich in der Nacht überhaupt einen Albtraum ge habt? Ich wusste es nicht. Auch das war – laut Hermanns Aussa ge – ein gutes Zeichen.
    Beschwingt stieg ich aus dem Bett und schlurfte mit nackten Fü ßen ins Bad. Ich betrachtete mich im Spiegel. Was ich sah, stei gerte meine ungewohnt gute Laune weiter. Meine Augen lagen nicht in tiefen Höhlen, um sich vor der Realität zu verstecken. Die üblichen dunklen Ringe schienen zu verblassen. Bei diesem Anblick schafften es meine Mundwinkel, ein echtes Lächeln zu vollbringen. Das Erste seit sechs Monaten.
    Nach einer ausgiebigen Dusche lief ich pfeifend die Treppe im Hausflur hinunter zu meinem Briefkasten, um mir die Tageszei tung zu holen. Als ich wieder nach oben ging, öffnete sich eine der Woh nungstüren im ersten Stock. Eine kleine, alte Frau steckte ihren Kopf durch den entstandenen Spalt.
    »Oh, Tomas«, sagte sie. »So früh schon so guter Laune?«
    Es war Frau Ploch, eine achtundsechzig Jahre alte Dame, die jeden im Ge bäude kannte und über alles Bescheid wusste. Ich war nach An kes und Jen nys Unfall aus unserem Haus – welches ich längst verkauft hatte – in eine 45   qm große Wohnung gezogen. Was soll te ich in einem Haus, in dem mir Tag für Tag die Erinnerun gen an mei ne Geliebten die Luft abschnürten? Die zwei Zimmer, die ich jetzt mein Eigen nannte, reichten mir vollkommen aus.
    Frau Ploch war die gute Seele dieses Mehrfamilienhauses. Sie kümmerte sich um die Reinigung des Hausflurs und um kleine see lische Wehwehchen ihrer Nachbarn. Als ich hier einzog, lud sie mich zu einem Kaffee ein und bemutterte mich bei einem le ckeren Stück selbst gebackenem Kuchen, wie es nicht einmal meine eigene Mutter getan hatte. Frau Ploch hatte ich alles vom Unfall meiner Familie erzählt und sie hatte mich – zu meinem Er staunen, da ich sie erst seit kurzer Zeit kannte – in den Arm ge nommen und meinen Kopf gestreichelt. Seit diesem Tag liebte ich sie, wie meine eigene Oma,

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