Das Mordhaus (German Edition)
auf, wenn wir reingehen, Diana und Sie«, ich wandte mich an Alberichs Schwester, »bleiben hier drau ßen.«
Sie dachte nicht daran. Flinker als Speedy Gonzalez drängte sie sich an Diana und mir vorbei ins Haus. Den Namen des Bruders ru fend rannte sie wie ein aufgeschrecktes Reh durchs Erdge schoss. Diana und ich folgten ihr so schnell wir konnten.
»Frau Alberich«, setzte Diana an.
»Lassen Sie mich!«
Diana hob abwehrend die Hände und schaute mich an.
»Lass sie«, sagte ich.
Sie riss eine Tür nach der anderen im Erdgeschoss auf. Alles war ruhig. Niemand da. Frau Alberich stürmte auf die Treppe zu und nahm die Stufen mit großen Schritten. Wir folgten ihr. Im ersten Stock dasselbe Spiel. Sie rief und ihr Bruder antwortete nicht.
Sie öffnete die Tür zum Schlafzimmer und blieb so abrupt ste hen, dass ich gegen sie stieß.
»Was ist?«, fragte ich. »Ist er ...«
Frau Alberich schnitt mir den Satz ab. »Die Luke zum Dach stuhl ist offen.«
Die plötzlich eingetretene Stille ließ es mir eiskalt den Rücken hin unterlaufen. Diana reagierte umgehend. Sie packte Frau Albe rich am Arm und zog sie aus dem Zimmer. Ich ahnte, was nun kommen würde. Ein Klassiker. Ich ging zu der Treppe, die mich nach oben bringen würde, und bereitete mich auf das Schlimmste vor. Im Dachstuhl war es kühl. Mich fröstelte es. Ich fand einen Lichtschalter und eine frei hängende Glühbirne schenkte mir ein wenig Licht an diesem dunklen Ort. Mein Blick traf ihn auf An hieb. Ich hatte Alberich gefunden.
»Soll ich raufkommen?«, rief Diana.
»Bleib mit ihr unten!«
Auch wenn von Diana kein Ja kam, musste sie verstanden ha ben, was Sache war. Alberich war an dem Tod seiner Frauen zu grunde gegangen, so, wie ich es gestern befürchtet hatte. Aber an etwas so Drastisches und Endgültiges hatte ich nicht gedacht. Wieso nicht? Wieso war mir der Gedanke nicht gekommen, dass er Suizid bege hen könnte, wo ich doch selbst Tag für Tag kämp fen musste, es nicht zu tun. All meine Überlegungen änderten nichts an der Tatsache, dass er an einem Dachbalken baumelnd vor mir hing. Wahrlich, der Klassiker! Ein Stuhl lag gekippt ne ben ihm. Das Seil sah sehr stabil aus. Alberich hatte alles gut durchdacht und ausgeführt. Er wollte unbedingt aus dem Leben treten. In dem blau angelaufenen Gesicht konnte ich eine Art von Zufriedenheit erkennen. Ich ging ein paar Schritte näher, um ihn mir besser ansehen zu können, als mein Han dy klingelte.
Auf dem Display stand: Chef. Ich nahm ab. »Ja?«
»Wo sind Sie? Egal wo Sie sind, kommen Sie sofort mit Frau Balke zurück und lassen Alberich dort, wo er ist.« Schroers Worte knallten mir wie Maschinengewehrkugeln entgegen. »Wir haben zwei Ver misste, eine gewisse Frau Manuela Kormeyer und ihre Tochter Anne. Wir müssen vom Schlimmsten ausgehen«
»Wir können nicht sofort zum Revier kommen«, sagte ich.
»Wieso?« herrschte er mich an.
»Weil Alberich an der Decke hängt und ich erst alles in die Wege leiten muss, damit er dort runtergeholt wird.«
»Was? Suizid?«
»Ja.«
Er stöhnte. »Gut, Ratz. Verständigen Sie die Kollegen. Danach kommen Sie ohne Umwege aufs Revier.«
Ohne Abschied legte mein Chef auf. Ich warf einen Blick auf Albe rich und spürte, wie sich meine Laune deutlich verschlech terte. Zwei weitere Vermisste? Heilige Scheiße!
Kapitel 5
Manuela fror und schwitzte dennoch. Feiner Sand klebte an ih rem Körper, als wenn er ihre Haut ersetzen wollte. Sie hockte – nackt wie Gott sie schuf – auf dem Boden. Hier, in dieser Dun kelheit, die sie seit endlos gefühlter Zeit umhüllte. Wie war sie hierhergekommen? Sie konnte sich an nichts erinnern, nur wie sie ... ein Gedanke überfiel sie. Anne! Was war mit ihrer Toch ter? Saß sie ebenfalls nackt in einem dunklen Loch und weinte? Ma nuela stiegen bei dieser Vorstellung selbst Tränen in die Au gen. Was sollte das al les? Wer hatte sie hierher gebracht und wie so? Stunden hatte sie um Hilfe gerufen, so lange, bis ihre Stimme ver sagte. Nichts war gesche hen. Niemand hatte sie gehört. Ob wohl ... vielleicht hatte sie jemand gehört. Derjenige zum Bei spiel, wegen dem sie an diesem herzlosen Ort war.
Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und prompt den Sand hinein. Es brannte fürchterlich und sie fluchte. »Verdamm ter Mist!«
Was war das? Schritte? Sie ließ von ihren tränenden Augen ab und lauschte. Langsam kroch sie in eine Ecke des Raumes, in dem man sie gefangen hielt wie ein Kaninchen.
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