Das Mordhaus (German Edition)
Ihr linker Fuß landete in einer dieser stinkenden Pfützen, die es überall gab. Wieder fluchte sie.
Manuela hörte erneut ein Geräusch. Schloss da jemand eine Tür auf? Ein Knarren. Schritte. Füße, die sich lautstark über den knir schenden Sand bewegten.
»Hallo?«, flüsterte sie.
Niemand antwortete.
»Ist da jemand?«
Eine Deckenlampe wurde angeschaltet. Sie kniff die Augen zu sammen. Schmerzen durchzuckten sie, als der feine Sand sich in ihre Lider zu bohren schien. Vorsichtig, Stück für Stück, öffnete sie sie und blinzelte der gnadenlosen Helligkeit entgegen. Sie war wie ge blendet, konnte nichts sehen.
»Hallo? Wer ist da?«, fragte sie.
Eine warme Hand berührte sie an der Schulter. Manuela zuckte zurück und stieß sich den Kopf an einer Wand. Instinktiv griff sie zu der Stelle und rieb sie. Die Schmerzen ließen nach und sie richtete den Blick nach oben. Jetzt konnte sie einen Mann erken nen, der sich wie ein riesiger Berg vor ihr auftürmte.
»Was wollen Sie von mir?«, wimmerte sie. »Und warum bin ich nackt?«
»Du wirst sehen, was ich von dir will.« Er hielt inne und fuhr ih ren Körper mit seinem Blick ab. Er leckte sich die Lippen. »Ich muss te dich entkleiden, die letzte Frau, die mir Gesellschaft leis tete, hat sich ein bisschen gewehrt, als sie sich ausziehen sollte. Ich dachte, es wäre für dich und mich einfacher, wenn ich es tue, solange du noch ... schläfst.«
Was? Die Frau vor ihr? Manuela glaubte, keine Luft mehr zu be kommen. Ihr wurde heiß und kalt. Während sie schlief? Was sollte das bedeuten? Hatte er sie betäubt und dann hierher ver schleppt? Spielte das alles überhaupt eine Rolle? Das einzig Wichtige für sie war, dass es ihrer Tochter gut ging und sie beide mit heiler Haut aus diesem Albtraum entkommen konnten.
»Wo ist Anne?«
»Oh, die ist in Sicherheit.« Der Mann leckte sich erneut die Lip pen. »Du wirst sie bald sehen, das verspreche ich dir.« Ein hässli ches La chen verließ seine Kehle und Manuela konnte nicht mehr, vor Angst um sich und ihr Kind entleerte sich ihre Blase. Warmer Urin verteilte sich unter ihr und verklebte den Sand.
Angsterfüllt und in ihrem Harn hockend ließ der Mann sie al lein. Allein in der Dunkelheit.
Kapitel 6
Mit quietschenden Reifen hielt ich vor dem Revier an. Diana und ich sprangen aus dem Wagen und hetzten ins Gebäu de. Für eine Zigarette blieb keine Zeit. Wenn wir eine Chance haben wollten, die verschwundene Frau und ihre Tochter lebend zu fin den, zählte jede Sekunde.
Auf dem Weg in den Besprechungsraum trafen wir auf unseren Chef.
»Was war da los, Ratz?«, fragte Schroer.
»Wahrscheinlich Selbstmord. Der Bericht des Rechtsmediziners wird Klarheit verschaffen. Ich zweifle jedoch nicht daran, dass Herr Alberich seiner Frau und seiner Tochter freiwillig gefolgt ist.«
»Also hat sein Tod nichts mit den Ermittlungen zu tun?«
»Ich gehe davon aus, dass das der Fall ist.« Ich räusperte mich. In der Zeit, in der ich auf die Kollegen gewartet hatte, hatte ich mir Alberich genauer angesehen. Für mich gab es keinen Zweifel daran, dass unser Mörder nichts mit seinem Tod zu schaffen hat te. Diana hatte die Schwester vom Dachstuhl ferngehalten. Beim Eintreffen unserer Kollegen übergaben wir sie in die Obhut der Sanitäter und machten uns auf den Weg ins Revier. Ich war froh, dass Ella Albe rich nicht sehen musste, dass ihr Bruder wie ein nasser Sack an ei nem Dachbalken hing.
Schroer öffnete die Tür zum Besprechungsraum und ließ uns vor gehen. Das Zimmer war leer.
»Nehmen Sie bitte Platz«, sagte er und setzte sich ebenfalls hin. »Ihre Kollegen sind schon informiert und im Einsatz. Schmidt und sein Partner haben den Ehemann der Vermissten Frau Kor meyer aufs Revier gebracht und vernehmen ihn in diesem Mo ment.«
Also war Paul auf der Arbeit angekommen? Ich konnte Diana an sehen, wie unwohl ihr bei der Erwähnung von seinem Namen wur de. Schroer bemerkte diese Gefühlsregung meiner Partnerin nicht.
Er fuhr fort: »Wenn Sie einen Blick aufs Flipchart werfen, wis sen Sie, wer unsere Vermissten sind. Die Fotos von ihnen wurden uns vom Ehemann zur Verfügung gestellt.«
Ich sah mir die Notizen und die Bilder an. Die Mutter – Manue la Kormeyer, sechsunddreißig Jahre alt – war eine attraktive und au genscheinlich glückliche Frau. Ihre eisblauen Augen schienen mich durch bohren zu wollen, soweit das bei einem Foto möglich war. Ihre roten, locki gen Haare umrahmten perfekt ihr hübsches
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