Das Mordhaus (German Edition)
den Mund und nuschelte: »Tut mir leid, das habe ich nicht gewusst.«
Natürlich hatte sie es nicht gewusst. Woher auch? Ich hatte ihr noch nie von meinem Leben vor dem Unfall erzählt. Ich spürte fast, wie sich ein Engelchen auf meine Schulter setzte und mir zuflüstert e: »Wenn du ihr von dir und Anke erzählt und zugelassen hättest, dass Diana ein Teil deines Lebens wird, hättest du dir und ihr eini gen Ärger erspart.«
Ich schlug die Augen nieder. Das vermeintliche Engelchen hat te recht. Diana hatte mir seit Beginn unserer Zusammenarbeit, al les, aber wirklich alles über sich und ihre Familie berichtet. Selbst ihre Geburt ließ sie nicht aus. Und ich? Ich hatte nichts von mir preisge geben. Von dem Unfall erfuhr sie von Schroer, nicht von mir. Jetzt, da mir all das bewusst wurde, musste ich ihr Respekt zollen. Sie hat te es mit ihren fünfundzwanzig Jahren geschafft, mich, einen ver schlossenen Mann mittleren Alters, zu ertragen und es gemeistert, mit mir manchmal achtundvierzig Stunden am Stück, zusammenzu arbeiten. Wenn das nicht eine Glanzleis tung war.
»Entschuldige bitte. Du konntest es nicht wissen.« Ich sah sie an und versuchte zu lächeln.
»Vergeben und vergessen«, sagte sie.
Diana zeigte in diesem Moment wahre Größe. Gestern hätte sie mir wahrscheinlich trotz der Schwere ihres Fauxpas eine Szene ge macht. Allein aus dem Grund schon, da sie nichts dafürkonnte, dass sie in dieses Fettnäpfchen getreten war. Für mich stand ab jetzt fest: Diana war ein guter Mensch und ich würde ihr einen Platz in mei nem Leben geben.
»Okay«, sie fuhr mit dem Zeigefinger über die Karte, »wir fah ren geradeaus und an der nächsten Ampel biegen wir rechts ab.«
Ich nickte und startete den Motor. »Du darfst mich gerne Tom nen nen, wenn du möchtest.«
Sie schüttelte den Kopf. »Danke für das Angebot. Ich denke, ich bleibe lieber bei Tomas.«
Wir lächelten einander an und das Thema war erledigt. Ich setzte den Blinker, lenkte den Wagen aus der Parkbucht und fuhr in die von Diana angegebene Richtung. Ob wir Hinweise auf das Ver schwinden von Manuela Kormeyer und ihrer Tochter finden wür den?
Kapitel 7
Manuela riss die Augen auf. War sie etwa einge schlafen? Ihr Herz pochte vor Schreck. Wie konnte sie jetzt schla fen? Sie muss te wachsam sein und dem Mann keine Gelegenheit bieten, sie in einem schwachen Moment zu überraschen. Schließ lich hatte sie sich einen Plan zurechtgelegt, wie sie ihn überwälti gen könnte. Bei ihrem letzten Tastausflug durch die Dunkelheit hatte sie eine Kiste mit Flaschen aus Glas gefunden. Um den In halt scherte sie sich nicht. Manuela wagte es nicht, davon zu trin ken, auch wenn der Durst sich immer mehr in den Vordergrund drängte. Sie be fürchtete, der Mann könnte Gift oder Ähnliches hineingefüllt ha ben.
Sie hatte sich eine der Flaschen genommen und sich in der Nähe der Tür auf den Boden gehockt. Sobald er eintreten würde, wollte sie ihm die Flasche über den Schädel ziehen, ihre Tochter suchen und fliehen. So weit der Plan, ob die Ausführung erfolg reich sein würde? Manuela musste daran glauben, dass es funk tionieren könn te. Was blieb ihr sonst anderes übrig? Sollte sie sich wie ein Baby heulend in eine Ecke kauern und aufgeben? Niemals! Eher würde sie bei dem Versuch zu fliehen sterben, als dass sie sich kampflos er gab. Sie war es ihrer Tochter schuldig. Wie es ihr wohl ging? Und wo war sie?
Manuela schüttelte den Kopf und versuchte, die Müdigkeit zu ver treiben. Es nutzte nichts, die Lider fielen ihr immer wieder zu.
»Ich muss mich bewegen«, flüsterte sie. Sie stand auf und be gann, an der Wand entlang zu gehen.
KRAWUMM.
Manuela quiekte vor Schreck wie ein Schwein auf der Schlacht bank und duckte sich. Licht durchflutete den Raum und ließ sie kurzzeitig erblinden. Blinzelnd erlangte sie ihr Sehvermögen zu rück. Die Tür stand offen, sie war mit voller Wucht aufgeflogen und gegen die Wand gescheppert. Sie zitterte. Wo war der Mann? Sie hat te außer dem Knall nichts anderes gehört.
Manuelas Instinkte begannen zu arbeiten. Wie ein Kaninchen auf der Flucht vor dem großen, bösen Wolf kroch sie auf allen Vieren zu der Öffnung, die die Freiheit verhieß. Kurz vor der Tür hielt sie inne und lauschte. Nichts. Kein Geräusch war zu hören. Sie robbte ein kleines Stück weiter und spähte vorsichtig durch die Tür. Sie sah eine verfallene Steintreppe, die nach oben führte. Befand sie sich in einem Keller?
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