Das Mordkreuz
muss, höre mein Lied. Ich singe es in dunkler Nacht, mit all meiner Verzweiflung. Mögest du es hören dort unten, in deinem kalten Grab.
I Am Stretched on Your Grave
(aus dem Irischen)
Ich liege ausgestreckt auf deinem Grab,
und ich werde hier für immer liegen.
Wenn deine Hände in den meinen wären,
wäre ich sicher, dass wir uns nie mehr trennten.
Es ist Zeit, dass wir wieder zusammenkommen,
bevor die Erde mich ganz verschlingt.
Ich sollte in meinem Bett sein,
stattdessen liege ich ausgestreckt
nah an deinem Kopf und
schreie deinen Namen in die Nacht.
Die Menschen nähern sich mir in Furcht,
weil ich dich noch immer liebe.
Meine Liebe, ich will noch immer dein Schutz sein,
im Regen und im Sturm.
So soll es sein,
mit dir in deinem kalten Grab.
45
Heinlein kam wie so oft in der letzten Zeit missgestimmt ins Büro. An diesem Morgen schien ihm die schlechte Laune ganz besonders zuzusetzen. Nach dem misslungenen Zugriff von letzter Nacht war er nicht zu Scherzen aufgelegt. Ein Übriges tat das Wetter. Heute endlich, nach Wochen unerträglicher Hitze, sollte es regnen. Doch anstatt eines befreienden Gusses hatte sich der Himmel zugezogen, bereit, den Menschen unter dieser Dunstglocke das Leben noch unerträglicher zu machen, als es ohnehin schon war. Heinleins frisches Hemd war schon bei der Fahrt durch die Stadt durchgeschwitzt. Nun hätte er eine erfrischende Dusche und eine neue Garderobe gebrauchen können.
Sabine mit ihrer Antenne für seine Stimmung nahm sein Erscheinen lediglich zur Kenntnis und ließ ihn in Ruhe den morgendlichen Kaffee trinken.
«Wo steckt Kilian?», hörte sie ihn aus dem Nebenzimmer rufen.
«Er kommt später», antwortete sie.
«Was ist mit ihm?»
«Pia hat einen Arzttermin.»
«Und, was will er dabei?»
«Keine Ahnung. Händchenhalten wahrscheinlich.»
Das Faxgerät an ihrer Seite ging in den Empfangsmodus. Sie blickte auf das Display. Eine ihr unbekannte Nummer aus dem Hessischen erschien. Wenig später lagen zwei Seiten im Fach. Sie nahm sie heraus und brachte sie Heinlein.
«Hast du eine Passagierliste angefordert?», fragte sie ihn.
«Ja. Ist was gekommen?»
«Das Fax kommt ursprünglich aus Dublin in Irland, weitergeleitet durch die Ryanair in Frankfurt-Hahn …»
«Schon gut», unterbrach Heinlein. «Gib es mir.»
Ohne eine weitere Frage zuzulassen, schnappte sich Heinlein die Seiten. Sabine ging kommentarlos in ihr Büro zurück.
Die Liste führte die Namen von rund hundert Passagieren auf, die am 14. Juli des vergangenen Jahres von Frankfurt-Hahn aus nach Kerry in Irland geflogen waren. Seine Augen suchten nach dem Namen Rosie Wilde. Hier war er. Sie hatte die Maschine um zehn Uhr vierzig genommen, Ankunft elf Uhr vierzig.
Sitzplätze waren keine verzeichnet, obwohl er darum gebeten hatte. So ging er einen Namen nach dem anderen durch, um zu sehen, ob ihm ein vertrauter unterkäme.
Bei Imhof, Michael stoppte er.
«Imhof», murmelte er mehrmals vor sich hin, «woher kenne ich nur diesen Namen?»
Dann fiel der Groschen. Imhof, na klar, das war doch dieser Marketingmensch, der für die Weinbauern und die Stadt Sommerhausen Werbung machte. Aber war es auch dieser Imhof? Oder ein anderer Imhof aus einem anderen Bundesland? Er griff zum Telefon, ließ es dann aber doch bleiben. Bis er die Personalien von Imhof aus Irland bekam, würde es wiederum einen Tag dauern, wenn nicht länger.
Wieso also nicht einfach Imhof anrufen? Das wäre schnell erledigt. Er suchte dessen Nummer aus dem Telefonverzeichnis und wählte.
Es klingelte dreimal, bis der Anrufbeantworter anging. «Sie sind mit Michael Imhof verbunden. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Piepston. Ich rufe Sie umgehend zurück, sofern ich nicht gerade auf Reisen oder im Urlaub bin.»
Richtig, fiel es Heinlein ein, Imhof hatte erwähnt, dass er einige Tage frei hatte. Seine Handynummer konnte helfen. Wo war sie? Er blätterte sein Notizbuch durch, zu der Stelle, wo er ihr Gespräch stichpunktartig festgehalten hatte. Es war keine Nummer verzeichnet. Wer könnte sie haben?
Imhof hatte von seiner Tätigkeit für die Marktgemeinde Sommerhausen gesprochen, erinnerte er sich, deswegen durfte er auch diesen Turm bewohnen. Ja, die müssten sie haben.
Wieder griff er zum Telefon. «Heinlein, Kripo Würzburg. Für Sie arbeitet ein gewisser Michael Imhof. Ich hätte gern seine Handynummer.»
«Einen Moment, bitte.»
Die Frau verband ihn weiter, und Heinlein musste
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