Das Mordkreuz
seinen Spruch nochmals aufsagen. Bei der vierten Station hatte er endlich Glück.
«Herr Imhof befindet sich im Urlaub», sagte eine Frau.
«Ich weiß. Ich möchte auch nur seine Handynummer.»
«Wir dürfen keine privaten Daten herausgeben.»
Heinlein schwoll der Kamm. «Sie sprechen mit der Kriminalpolizei in Würzburg. Soll ich Ihnen meine Kollegen vorbeischicken und Sie aufs Revier bringen lassen?»
«Ich folge nur meinen Anweisungen», antwortete die Frau eingeschüchtert. «Am besten verbinde ich Sie mit dem Bürgermeister.»
«Ja, tun Sie das.»
Heinlein wartete ungeduldig. Das fehlte ihm noch, dass eine übergenaue Beamtin ihn auflaufen ließ. Schließlich hatte er den Bürgermeister am Apparat. «Herr Heinlein», hörte er ihn freundlich sagen, «wie kann ich Ihnen weiterhelfen?»
«Mit der Handynummer von Michael Imhof. Er arbeitet doch für Sie?»
«Richtig, er hat das Ehrenamt des Heimatpflegers für unsere Gemeinde inne.»
Ehrenamt, dachte Heinlein, dafür habt ihr ihm den Turm überlassen. Schöne Ehre.
«Herr Imhof befindet sich meines Wissens im Urlaub», fuhr der Bürgermeister fort.
Heinlein wollte losbrüllen, fing sich jedoch wieder. «Ich weiß. Ich möchte auch nur seine Telefonnummer. Das kann doch nicht so schwierig sein.»
«Wir haben unsere internen Regelungen, Herr Kollege. Private Kontaktdaten sind streng vertraulich.»
«Die Handynummer eines Geschäftsmannes fällt da wohl nicht darunter.»
«Im Normalfall haben Sie recht. Aber Herr Imhof hat darum gebeten, seine Nummer nur im Notfall herauszugeben, damit er sich ungestört ein paar Tage erholen kann. Sie haben ja keine Vorstellung, wer hier alles wegen irgendeiner Kleinigkeit anruft.»
Noch ein Wort, dachte Heinlein, und ich nehme dich wegen Behinderung der Polizei fest. Doch er wählte die freundliche Variante, auch wenn es ihm so schwerfiel wie kaum etwas anderes in der letzten Zeit. «Das kann ich gut verstehen. Jeder will ständig etwas von einem», log er. «Mir ergeht es nicht anders. Dennoch muss ich als Staatsdiener in Notfällen erreichbar sein. Der Bürger zahlt schließlich Steuern und hat Anspruch auf …»
«Schon gut, Herr Heinlein», wehrte der Bürgermeister ab. Diese gesalbten Worte kannte er aus seinen eigenen Reden zur Genüge. «Ich hoffe nur, es handelt sich tatsächlich um einen Notfall.»
«Das tut es. Keine Sorge.»
Heinlein notierte die Nummer und bedankte sich.
«Mein Gott, war das ein Akt», schimpfte er, als er den Telefonhörer aufgelegt hatte, «und das im Zeitalter der Kommunikation.»
Dann wählte er die so geheim gehaltene Nummer Imhofs.Es klingelte, bis auch hier die Mailbox ansprang. «Michael Imhof. Ich befinde mich derzeit im Urlaub. Sie können mich ab dem Zehnten wieder unter meiner bekannten Nummer im Büro erreichen. Vielen Dank.»
Zu dumm. Wenn er sich im Ausland aufhielt, dann musste er seine Rückkehr abwarten. Das dauerte ihm zu lange. Er musste jetzt mit ihm sprechen.
Nervös klopfte er mit dem Kugelschreiber auf dem Tisch herum. Wie war an ihn ranzukommen? Er blätterte sein Notizbuch auf und überflog die Einträge. Richtig, er hatte eine Schwester, die am Gericht arbeitete. Wegen ihr und seinem Streit mit Zinnhobel auf dem Weingut Baron hatte er ja mit ihm gesprochen.
Er wollte schon erneut zum Telefonhörer greifen, hielt aber inne. Das ließ er besser bleiben. Noch einmal so eine Aktion wie gerade eben, und er ginge an die Decke.
Nein, er würde Andrea Imhof persönlich aufsuchen.
46
Als Heinlein den Sicherheitsbereich im Strafjustizgebäude betreten hatte, fragte er nach Andrea Imhof. Eine freundliche Angestellte nahm ihn mit und lieferte ihn vor der betreffenden Tür ab. Heinlein ging ohne zu klopfen hinein. Er fand zwei Frauen vor, die am Computer arbeiteten.
«Frau Imhof?», fragte er in den Raum.
Die Dunkelhaarige antwortete: «Ja, Sie wünschen?»
«Heinlein, Kripo Würzburg. Ich würde Sie gern sprechen.»
«Nur zu.»
«Unter vier Augen, falls das möglich ist.»
Die andere verstand sofort und stand auf. «Kein Problem. Ich wollte mir eh was holen. Bin in fünf Minuten wieder da. Reicht das aus?»
«Zur Genüge», bedankte sich Heinlein und setzte sich.
Andrea Imhof war ein graziles Wesen, Ende zwanzig, mit buschigen, gelockten Haaren, die sie mit einem Band zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst hatte. In ihren dunklen Augen spiegelte sich Verletzlichkeit. Ihr Lächeln war nicht sicher, sondern schien in ihrem zarten Gesicht zu schweben.
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