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Das Moskau-Komplott

Das Moskau-Komplott

Titel: Das Moskau-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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ihnen in die Hände fällt, was der Himmel verhüten möge, können wir nichts mehr für sie tun. Komm bloß nicht auf die Idee, ihr in das Gebäude zu folgen. Deine oberste Verantwortung gilt dir und deinem Team.«
    Gabriel ging schweigend neben ihm her, die Hände in den Taschen seiner Jeans, die Augen ständig in Bewegung. Schamron sprach weiter, und seine Stimme drang zu ihm wie das Schlagen ferner Trommeln. »Iwan und seine Verbündeten im FSB haben dich einmal lebend aus Russland herausgelassen, aber das wird kein zweites Mal passieren, darauf kannst du Gift nehmen. Spiel nach den Moskauer Regeln, und vergiss nicht das Elfte Gebot. Du sollst dich nicht erwischen lassen, Gabriel, auch wenn das bedeutet, dass du Elena Charkowa zurücklassen musst. Wenn sie nicht rechtzeitig aus dem Haus herauskommt, musst du verschwinden. Hast du mich verstanden?«
    »Ich habe verstanden.«
    Schamron blieb stehen und nahm mit unvermuteter Kraft Gabriels Gesicht in beide Hände. »Ich habe einmal dein Leben zerstört, Gabriel, und ich will nicht, dass es noch mal passiert. Wenn etwas schiefgeht, mach, dass du zum Flughafen kommst und in diese Maschine steigst.«
    Im verblassenden Licht des Spätnachmittags machten sie sich schweigend auf den Rückweg zur Wohnung. Gabriel sah auf seine Uhr. Es war kurz vor fünf. Der Beginn des Unternehmens stand unmittelbar bevor. Und nicht einmal Schamron konnte sie jetzt noch stoppen.
     

50 Moskau
    Es war ein paar Minuten nach 19 Uhr Moskauer Zeit, als in Swetlana Federowas Wohnung am Kutusowskij Prospekt das Haustelefon klingelte. Sie saß in ihrem Wohnzimmer, wo sie sich gerade eine weitere Fernsehansprache des russischen Präsidenten ansah, und war dankbar für die Unterbrechung. Sie brachte ihn mit einem Tastendruck auf der Fernbedienung zum Schweigen -
mein Gott, wenn es doch nur so einfach wäre
- und hob langsam den Telefonhörer ans Ohr. Sie erkannte die Stimme am anderen Ende der Leitung sofort: Pawel, der widerwärtige Abendpförtner. Anscheinend hatte sie Besuch. »Ein
Herr
möchte Sie sprechen«, fügte Pawel in anzüglichem Ton hinzu.
    »Hat er auch einen Namen?«
    »Er sagt, er heißt Felix.«
    »Ein Russe?«
    »Falls er einer ist, hat er lange nicht mehr hier gelebt.« »Was will er?«
    »Er sagt, dass er eine Nachricht hat. Und dass er ein Freund Ihrer Tochter ist.«
    Ich habe keine Tochter,
dachte sie trotzig.
Die Frau, die einmal meine Tochter war, lässt mich hier in Moskau einsam sterben, während sie mit ihrem Oligarchen in Europa herumtollt.
Natürlich war sie allzu dramatisch, aber in ihrem Alter durfte sie das.
    »Wie sieht er aus?«
    »Wie ein Altkleidersack. Aber er hat Blumen und Pralinen. Godiva-Pralinen, Swetlana. Ihre Lieblingspralinen.«
    »Er ist doch kein Gangster oder Frauenschänder, Pawel?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Dann schicken Sie ihn herauf.«
    »Er ist auf dem Weg.«
    »Warten Sie, Pawel.«
    »Was ist denn?«
    Sie blickte an ihrem schäbigen, alten Morgenrock hinunter.
    »Bitten Sie ihn, noch fünf Minuten zu warten. Dann können Sie ihn heraufschicken.«
    Sie legte auf.
Blumen und Pralinen
... Er mochte wie ein Altkleidersack aussehen, aber offensichtlich war er trotzdem ein Kavalier.
    Sie ging in die Küche und suchte etwas, das sie ihm anbieten konnte. Sie hatte weder Gebäck noch Kuchen im Speiseschrank, nur eine Dose englische Kekse, ein Souvenir, das sie von ihrer letzten, grässlichen Reise nach London zu Elena mitgebracht hatte. Sie arrangierte ein Dutzend Kekse sauber auf einem Teller und stellte ihn auf den Wohnzimmertisch. Dann tauschte sie im Schlafzimmer den Morgenrock rasch gegen ein Sommerkleid. Vor dem Spiegel stehend, verlieh sie ihrem spröden, grauen Haar den richtigen Sitz und betrachtete traurig ihr Gesicht. Da war nichts zu machen.
Zu viele Jahre,
dachte sie.
Zu viel Kummer.
    Sie verließ gerade das Schlafzimmer, als sie die Klingel hörte. Sie öffnete. Draußen stand ein merkwürdig aussehender kleiner Mann Anfang sechzig mit strähnigem Haar und kleinen, wachen Terrieraugen. Seine Kleidung war, wie angekündigt, zerknittert, offenbar aber mit großer Sorgfalt ausgewählt worden. Er hatte etwas Altmodisches an sich. Etwas von längst vergangenen Zeiten. Er wirkte wie einem alten Schwarz-Weiß-Film entsprungen, dachte sie, oder wie aus einem St. Petersburger Cafe in den Tagen der Revolution. Seine Manieren waren so altmodisch wie sein Äußeres.
    Sein Russisch war flüssig, klang aber so, als habe er seit vielen Jahren keinen

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