Das Moskau-Komplott
verabschieden, aber du hast dich dafür entschieden, weiterzumachen. Normalerweise ist es umgekehrt. Normalerweise ist Schamron derjenige, der dich überreden will, und du bist derjenige, der auf stur stellt. Wieso diesmal nicht, Gabriel? Nach allem, was du durchgemacht hast, nach all den Kämpfen, nach all dem Blutvergießen. Warum übernimmst du einen solchen Job? Warum verkriechst du dich nicht lieber mit mir in einer einsamen Villa in Umbrien?«
»Es ist nicht fair, das so zu sagen, Chiara.«
»Und ob. Du hast gesagt, es ist ein einfacher Job. Du wolltest dich in Rom mit einem russischen Journalisten treffen, dir anhören, was er zu sagen hat, und dann sollte tür dich Schluss sein.«
»Es wäre ja auch Schluss gewesen, wenn er nicht ermordet worden wäre.«
»Dann tust du es also für Boris Ostrowskij ? Du setzt dein und Elenas Leben aufs Spiel, weil du dich schuldig fühlst an seinem Tod?«
»Ich tue es, weil wir diese Raketen finden müssen.«
»Du tust es, weil du Iwan vernichten willst.«
»Natürlich will ich Iwan vernichten.«
»Na, wenigstens bist du ehrlich. Aber sieh zu, dass du dich dabei nicht selbst vernichtest. Wenn du ihm seine Frau und seine Kinder wegnimmst, wird er sie bis ans Ende der Welt verfolgen. Und uns auch. Wenn wir Glück haben, ist dieses Unternehmen in achtundvierzig Stunden vorbei. Aber dein Krieg mit Iwan wird dann gerade erst anfangen.«
»Wir sollten essen, Chiara. Immerhin ist es unser Hochzeitstag. «
Sie sah auf ihre Uhr. »Es ist zu spät zum Essen. Die viele Butter setzt sofort an den Hüften an.«
»Einen Anschlag in diese Richtung hatte ich auch vor.«
»Immer diese Versprechungen.« Sie trank noch einen Schluck Wein. »War es schön, wieder mit Sarah zusammenzuarbeiten?«
»Du wirst doch nicht schon wieder damit anfangen?«
»Euer Ehren, lassen Sie bitte ins Protokoll aulnehmen, dass der Zeuge die Beantwortung der Frage verweigert.«
»Ja, Chiara, es war schön, wieder mit Sarah zu arbeiten. Sie hat ihre Aufgabe bewundernswert und äußerst professionell erfüllt.«
»Und himmelt sie dich immer noch an?«
»Sarah weiß, dass ich nicht zu haben bin. Und der einzige Mensch, den sie mehr verehrt als mich, bist du.«
»Dann gibst du es also zu?«
»Was gebe ich zu?«
»Dass sie dich verehrt.«
»Herrgott noch mal. Ja, Sarah hat mal etwas für mich empfunden, und diese Gefühle sind mitten in einem sehr gefährlichen Unternehmen zutage getreten. Zufälligerweise teile ich diese Gefühle nicht, weil ich nämlich dich wie verrückt liebe. Das habe ich dir hoffentlich bewiesen, indem ich dich geheiratet habe - auf eindrucksvolle Weise, wie ich hinzufügen könnte. Wenn ich mich recht entsinne, war Sarah dabei.«
»Wahrscheinlich hat sie gehofft, du würdest mich unter der
chuppa
sitzen lassen.«
»Chiara.« Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie auf den Mund. Ihre Lippen waren kühl und schmeckten nach dem Chasselas. »In achtundvierzig Stunden ist alles vorbei. Dann können wir nach Italien zurück, und niemand, nicht einmal Iwan, wird uns dort finden.«
»Niemand außer Schamron.« Sie erwiderte seinen Kuss. »Hattest du nicht eine Art Anschlag auf meine Hüften vor?«
»Du hast morgen einen sehr langen Tag.«
»Stell den Serviertisch auf den Flur raus. Ich kann nicht mit dir schlafen, wenn es im Zimmer nach Hühnchen Kiew riecht.«
Hinterher schlief sie in seinen Armen ein, unruhig, von Träumen geplagt. Gabriel schlief nicht. Gabriel schlief nie in der Nacht vor einem Unternehmen. Um 3.59 Uhr rief er an der Rezeption an und sagte, dass ein Weckruf unnötig sei, dann weckte er Chiara, indem er zärtlich ihren Nacken küsste. Sie liebte ihn ein letztes Mal, wobei sie ihn die ganze Zeit anflehte, jemand anderen an seiner Stelle nach Moskau zu schicken. Um 5 Uhr verließ sie das Zimmer in ihrer knackigen El-Al-Uniform und ging hinunter in die Lobby, wo Rimona und Jaakov mit dem Rest der Crew warteten. Gabriel beobachtete vom Fenster aus, wie sie in den Shuttlebus zum Flughafen stiegen, und blieb noch lange, nachdem sie fort waren, dort stehen. Sein Blick war auf die Gewitterwolken gerichtet, die sich über den Berggipfeln zusammenballten. Doch mit den Gedanken war er woanders. Er dachte an eine alte Frau in einer Moskauer Wohnung, die nach einem Telefon griff, während Eli Lavon, der Mann, den sie nur unter dem Namen Felix kannte, sie geduldig daran erinnerte, was sie sagen sollte.
52 Villa Soleil, Frankreich
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