Das Moskau-Komplott
unsicheren Waffenstillstand geschlossen. Es hatte zweiundsiebzig Stunden gedauert. Zweiundsiebzig Stunden Geschrei. Zweiundsiebzig Stunden Drohungen mit einem Scheidungskrieg. Zweiundsiebzig Stunden Verhör mit Unterbrechungen. Wie alle, die betrogen worden sind, wollte er Einzelheiten hören. Zuerst hatte sie sich gesträubt, doch schließlich hatte sie vor Iwans zermürbenden Attacken kapituliert. Sie rückte mit den Einzelheiten nur scheibchenweise heraus. Der Fahrt in die Berge. Dem Essen, das auf dem Tisch für sie bereitstand. Dem Wein. Dem kleinen Schlafzimmer mit den billigen Monet-Drucken. Ihrer reinigenden Dusche. Iwan hatte wissen wollen, wie oft sie miteinander geschlafen hatten. »Zweimal«, hatte sie gestanden. »Er wollte es ein drittes Mal tun, aber ich habe ihm gesagt, dass ich gehen muss.«
Michails Vorhersagen erwiesen sich als richtig. Iwans Zorn war gewaltig, legte sich aber rasch, sowie er begriffen hatte, dass er sich die Suppe selbst eingebrockt hatte. Er schickte ein paar Leibwächter nach Cannes, um Jekatarina aus ihrer Suite im Hotel Carlton zu werfen, dann begann er, Elena mit Entschuldigungen, Versprechen, Diamanten und Gold zu überhäufen. Elena schien seine Bußakte zu akzeptieren und leistete ihrerseits Abbitte. Damit sei der Fall erledigt, einigten sie sich schließlich über einem Abendessen in der Villa Romana. Das Leben konnte wieder seinen gewohnten Gang nehmen.
Viele Gesten Iwans waren offensichtlich hohl. Viele andere waren es nicht. Er verbrachte weniger Zeit mit seinem Handy und mehr Zeit mit den Kindern. Er hielt seine russischen Freunde auf Distanz und sagte eine Geburtstagsparty ab, die er für einen Geschäftsfreund, den Elena nicht mochte, hatte geben wollen. Er brachte ihr jeden Morgen Kaffee und las die Zeitungen im Bett, anstatt zur Arbeit in sein Büro zu hetzen. Und als an diesem Morgen um sieben ihre Mutter anrief, verzog er nicht wie sonst das Gesicht, sondern reichte Elena mit aufrichtig besorgter Miene den Hörer. Das Gespräch, das folgte, war kurz. Elena legte auf und sah Iwan bedrückt an.
»Was ist los?«, fragte er.
»Sie ist wieder sehr krank, Liebling. Sie braucht mich. Ich muss sofort zu ihr.«
In Moskau legte Swetlana Federowa sachte den Hörer auf die Gabel zurück und sah den Mann an, den sie unter dem Namen Felix kannte.
»Sie sagt, dass sie am späten Abend hier sein wird.«
»Und Iwan?«
»Er wollte mitkommen, aber Elena hat ihn dazu überredet, in Frankreich bei den Kindern zu bleiben. Er war immerhin so freundlich, ihr sein Flugzeug zu leihen.«
»Hat sie zufällig gesagt, um welche Uhrzeit sie abfliegt?«
»Sie fliegt um elf in Nizza ab, vorausgesetzt natürlich, es gibt keine Probleme mit der Maschine.«
Er grinste und zog ein kleines Gerät aus der Brusttasche seines zerknitterten Jacketts. Es hatte einen kleinen Bildschirm und viele Tasten wie eine Miniaturschreibmaschine. Swetlana Federowa hatte solche Geräte schon gesehen. Sie wusste nicht, wie sie hießen, nur dass sie gewöhnlich von Männern benutzt wurden, die sie nicht mochte. Er tippte mit seinen flinken kleinen Daumen rasch etwas ein und steckte das Gerät wieder in die Tasche. Dann sah er auf seine Uhr.
»Wie ich Ihren Schwiegersohn kenne, wird er Sie und das Haus innerhalb einer Stunde unter Bewachung stellen. Wissen Sie noch, was Sie sagen sollen, wenn Sie jemand nach mir fragt?«
»Ich soll sagen, dass Sie ein Hochstapler sind - ein Dieb, der eine alte Frau um ihr Geld betrügen wollte.«
»Es gibt wirklich viele skrupellose Schurken auf der Welt.«
»Ja«, sagte sie. »Man kann gar nicht vorsichtig genug sein.«
Nach den jüngsten Terroranschlägen in London waren an den Sicherheitsvorkehrungen und operativen Einrichtungen in der amerikanischen Botschaft am Grosvenor Square zahlreiche Verbesserungen vorgenommen worden. Manche waren für die Öffentlichkeit sichtbar, viele andere nicht. Zu denen, die unter die zweite Kategorie fielen, gehörte eine nagelneue Einsatzzentrale, die sich in einem bunkerähnlichen Anbau unter dem Platz selbst befand. Dort wurde Adrian Carter um Punkt 6.04 Uhr Londoner Zeit von einem jungen CIA-Faktotum wortlos Eli Lavons Nachricht in die Hand gedrückt. Carter reichte sie, nachdem er sie gelesen hatte, an Schamron weiter, der sie schließlich Graham Seymour gab. »Es scheint loszugehen«, sagte Seymour. »Ich schlage vor, Sie informieren die Franzosen.«
Carter aktivierte per Knopfdruck eine Sicherheitsleitung nach Paris und
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