Das Moskau-Komplott
hob den Hörer ans Ohr.
»Bonjour,
meine Herren. Sie sind jetzt am Ball. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen.«
Diesmal war sich Elena beim Ankleiden nicht unschlüssig. Sie nahm rasch ein Bad, verwendete wenig Mühe auf ihre Frisur und ihr Make-up und zog einen recht einfachen, aber bequemen Hosenanzug von Chanel an. Sie legte mehr Schmuck an, als sie sonst bei einem solchen Anlass getragen hätte, und ließ mehrere kostbare Stücke in ihre Handtasche gleiten. Schließlich packte sie zusätzlich Wechselwäsche für zwei Tage in eine Reisetasche und holte Euro und Rubel im Wert von mehreren Tausend Dollar aus dem Wandsafe. Sie wusste, dass Iwan deswegen nicht misstrauisch würde, denn er ermunterte sie stets, einen größeren Geldbetrag bei sich zu tragen, wenn sie allein reiste.
Sie sah sich ein letztes Mal im Zimmer um, dann stieg sie so gelassen wie möglich die Treppe hinunter. Sonja und die Kinder hatten sich eingefunden, um sich von ihr zu verabschieden. Sie drückte die Kinder länger, als sie sollte, und befahl ihnen mit gespielter Strenge, sich bei ihrem Vater gut zu betragen. Iwan war bei ihrem Abschied nicht dabei. Er stand draußen in der Zufahrt und sah ungeduldig auf seine Uhr. Elena küsste jedes Kind ein letztes Mal, dann stieg sie mit Iwan hinten in den Mercedes. Sie drehte sich noch einmal um, als der Wagen anfuhr, und sah, dass die Kinder weinten. Dann passierte der Wagen das Sicherheitstor, und sie entschwanden ihrem Blick.
Die Meldung, dass Iwan und Elena losgefahren waren, traf um 7.13 Uhr Ortszeit in der Londoner Einsatzzentrale ein. Fünf Minuten später wurde Gabriel über die Entwicklung informiert. Eine Stunde nach Erhalt der Nachricht teilte er der Rezeption mit, dass er abzureisen gedenke und dass er einen angenehmen, wenn auch viel zu kurzen Aufenthalt gehabt habe. Ein gemieteter Renault erwartete ihn, als er auf die Straße trat. Er glitt hinters Steuer und fuhr zum Flughafen.
53 Nizza, Frankreich
Iwan war während der Fahrt mit sich selbst beschäftigt, und Elena war froh darüber. Entweder er sprach in sein Handy oder starrte, schweigend und mit seinen dicken Fingern auf die Mittelkonsole trommelnd, aus dem Fenster. Da sie entgegen dem morgendlichen Urlauberstrom in Richtung Strand unterwegs waren, kamen sie zügig voran: um den Golf von Saint-Tropez herum nach Saint-Maxime, dann auf der D25 landeinwärts zur Autobahn und auf der Autobahn ostwärts nach Nizza. Als sie durch die nördlichen Randbezirke von Cannes fuhren, ertappte sich Elena bei der Vorstellung, wie Iwan und Jekatarina in ihrer Suite im Carlton miteinander schliefen. Iwan hatte wohl an dasselbe gedacht, denn er nahm ihre Hand und sagte, dass ihm alles, was geschehen sei, leidtue. Elena hörte sich sagen, dass es ihr ebenfalls leidtue. Dann blickte sie aus dem Fenster auf die Hügel, die zu den Alpen hin anstiegen, und begann, die Minuten zu zählen, bis sie von ihm frei sein würde.
Fünfzehn Minuten später tauchte die Ausfahrt zum Flughafen Nizza vor ihnen auf. Iwan hatte unterdessen einen weiteren Anruf erhalten und führte nun ein hitziges Gespräch mit einem Geschäftspartner in London. Er telefonierte noch, als sie fünf Minuten später das klimatisierte Büro der Riviera Flight Services, des hiesigen Flughafendienstleisters, betraten. Hinter dem makellos weißen Schalter stand ein blonder Mann Mitte dreißig mit beginnender Stirnglatze. Er trug eine marineblaue Hose und ein kurzärmliges, weißes Hemd mit Schulterstücken. Iwan ließ ihn zwei Minuten warten, ehe er sein Gespräch mit London beendete. »Charkow«, sagte er schließlich. »Flug nach Moskau um elf.«
Der junge Mann setzte ein bekümmertes Bürokratenlächeln auf. »Das wird nicht möglich sein, Monsieur Charkow. Bedauerlicherweise gibt es da ein ziemlich ernstes Problem mit Ihrem Flugzeug.«
Elena bohrte sich einen Fingernagel in die Handfläche und blickte zu Boden.
»Was für ein Problem?«, fragte Iwan.
»Die Papiere sind unvollständig«, antwortete der junge Mann. »Ihre Crew war außerstande, zwei sehr wichtige Dokumente vorzulegen: die RVSM-Zulassung und das Lärmzeugnis. Die DGAC wird Ihre Maschine ohne sie nicht starten lassen.«
Die DGAC war die Direction Generale de l'Aviation Civile, die französische Zivilluftfahrtbehörde.
»Das ist ja unerhört!«, bellte Iwan. »Ich bin mit demselben Flugzeug schon Dutzende Male von diesem Flugplatz aus gestartet und habe diese Dokumente noch nie gebraucht.«
»Ich kann
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