Das Moskau-Komplott
verstehen, dass Sie ungehalten sind, Monsieur Charkow, aber Vorschrift ist Vorschrift, leider. Wenn Ihre Crew keine RVSM-Zulassung und kein Lärmzeugnis vorlegen kann, wird Ihre Maschine nirgendwo hinfliegen.«
»Gibt es eine Art Bußgeld, das ich bezahlen kann?«
»Später vielleicht, aber nicht im Moment.«
»Ich möchte mit Ihrem Vorgesetzten sprechen.«
»Ich bin der ranghöchste Diensthabende.«
»Holen Sie mir jemanden von der DGAC ans Telefon.«
»Die DGAC hat ihren Standpunkt in dieser Angelegenheit klar dargelegt. Sie wird nichts hinzuzufügen haben, bis ihr die Dokumente vorliegen.«
»Wir haben einen Notfall in Moskau. Die Mutter meiner Frau ist sehr krank. Sie muss sofort zu ihr.«
»Dann würde ich vorschlagen, Ihre Crew versucht, die Dokumente schnellstmöglich zu finden. In der Zwischenzeit könnte sich Ihre Frau überlegen, ob sie nicht vielleicht einen Linienflug nehmen möchte.«
»Einen Linienflug?«
Iwan knallte die flache Hand auf den Tresen. »Meine Frau kann keinen Linienflug nehmen. Es gibt Sicherheitserwägungen, die wir berücksichtigen müssen. Das ist schlicht unmöglich.«
»Dann bezweifle ich sehr, dass sie heute noch nach Moskau kommt, Monsieur.«
Elena trat vorsichtig an den Schalter. »Meine Mutter erwartet mich, Iwan. Ich kann sie nicht enttäuschen. Dann fliege ich eben mit einer Linienmaschine.«
Der Angestellte deutete auf seinen Computer. »Wenn Sie wollen, kann ich nachsehen, wann ein Flug geht und ob noch Plätze frei sind.«
Iwan runzelte die Stirn, dann nickte er. Der Angestellte setzte sich an den Computer und klapperte mit den Tasten. Gleich daraufzog er die Mundwinkel nach unten und schüttelte langsam den Kopf.
»Leider sind alle Direktflüge von Nizza nach Moskau heute ausgebucht. Wie Sie wahrscheinlich wissen, Monsieur, haben wir um diese Jahreszeit viele russische Besucher.« Er betätigte noch ein paar Tasten. »Aber es gäbe noch eine andere Möglichkeit.«
»Welche?«
»Einen Flug der Swiss International Air Lines nach Genf, Abflug in einer Stunde. Vorausgesetzt die Landung erfolgt pünktlich, kann Madame Charkowa dort die Maschine der Swissair um 14 Uhr nach Moskau kriegen. Planmäßige Ankunft heute Abend um acht in Scheremetjewo.«
Iwan sah Elena an. »Du wärst sehr lange unterwegs. Warum wartest du nicht, bis wir die Sache mit den Papieren geklärt haben?«
»Ich habe meiner Mutter schon gesagt, dass ich heute Abend komme. Ich möchte sie nicht enttäuschen, Liebling. Du hast doch ihre Stimme gehört.«
Iwan sah den Angestellten an. »Ich brauche drei Plätze in der ersten Klasse: einen für meine Frau und zwei für ihre Leibwächter.«
Wieder Tastengeklapper. Wieder langsames Kopfschütteln.
»In beiden Maschinen ist jeweils nur noch ein Platz in der ersten Klasse frei, und keiner in der Economy. Aber ich kann Ihnen versichern, dass Madame Charkowa absolut sicher ist. Wenn Sie wollen, kann ich bei der Flughafensicherheit VIP-Begleitung buchen.«
»Von welchem Terminal fliegt Swissair?«
»Terminal eins.« Der Angestellte griff zum Telefon. »Ich sage ihnen, dass Sie auf dem Weg sind.«
Der junge Schalterbeamte arbeitete in Wirklichkeit nicht für Riviera Flight Services, sondern war Agent des französischen Inlandssicherheitsdienstes. Und der Telefonanruf, den er tätigte, nachdem Iwan und Elena gegangen waren, galt nicht dem Büro von Swissair, sondern seinem Vorgesetzten, der draußen in einem geparkten Lieferwagen saß. Nach Erhalt des Anrufs verständigte der Mann im Lieferwagen die regionale Zentrale in Nizza, die ihrerseits umgehend die Einsatzzentrale in London informierte. Gabriel bekam die Nachricht auf seinen PDA, während er so tat, als würde er sich in einem Dutyfree-Shop Rolex-Uhren ansehen. Er verließ den Laden mit leeren Händen und schlenderte gemächlich zu seinem Flugsteig.
Elena hätte sich am liebsten auf der Straße verabschiedet, doch in einem plötzlichen Anfall von Galanterie wollte Iwan nichts davon hören. Er reihte sich mit ihr in die endlose Schlange am Ticket-Schalter ein und stritt mit der bedauernswerten Angestellten über Details ihrer Flugroute. Er kaufte ein kleines Geschenk für ihre Mutter und nötigte Elena das Versprechen ab, ihn sofort nach der Landung in Moskau anzurufen. Und endlich, als Elena sich anschickte, die Sicherheitskontrolle zu passieren, entschuldigte er sich noch einmal für den Schaden, den er ihrer Ehe zugefügt hatte. Sie küsste ihn ein letztes Mal, und als sie auf der
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