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Das Moskau-Komplott

Das Moskau-Komplott

Titel: Das Moskau-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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anderen Seite angekommen war, drehte sie sich um, um ihm zum Abschied zu winken. Doch Iwan war bereits auf dem Weg zum Ausgang, Leibwächter an der Seite, Handy am Ohr.
    Die nächste halbe Stunde verbrachte sie mit ganz banalen Dingen, und sie genoss es in vollen Zügen. Sie suchte ihr Gate. Sie trank einen Cafe creme in einer überfüllten Bar. Sie kaufte sich einen Stapel Zeitungen und Zeitschriften. Aber hauptsächlich ging sie einfach nur umher. Zum ersten Mal seit vielen Jahren war sie allein. Nicht wirklich allein, sagte sie sich, denn mit Sicherheit wurde sie beobachtet, aber befreit von Iwans Leibwächtern, wenigstens für ein paar Stunden. Bald würde sie für immer von ihrer lästigen Gegenwart befreit sein. Aber vorher hatte sie in Moskau eine Kleinigkeit zu erledigen. Der Gedanke entlockte ihr ein ironisches Lächeln. Sie musste nach Russland, um sich zu befreien. Sie tat es nicht nur für sich, dachte sie, sondern auch für ihr Land. Sie war Russlands Gewissen. Russlands Erlöserin.
    Aus Angst, ihren Flug zu verpassen, fand sie sich zehn Minuten früher als nötig am Flugsteig ein und wartete geduldig bis zur Aufforderung, an Bord zu gehen. Ihr Sitznachbar war ein braun gebrannter, kleiner Schweizer, der während des kurzen Flugs missmutig Zahlen studierte. Die Bordverpflegung bestand aus einem aufgeweichten Sandwich und einer Flasche warmem Mineralwasser. Elena aß ihr Tablett leer und bedankte sich bei der verdutzten Stewardess überschwänglich für die freundliche Bedienung.
    Die Maschine landete kurz vor 13.30 Uhr in Genf. Als Elena aus der Fluggastbrücke trat, ertönte über Lautsprecher der letzte Aufruf für den Swissair-Flug 1338 nach Moskau. Sie war fünf Minuten vor dem Abflug am Gate und nahm von der Chefstewardess ein Glas Champagner in Empfang, als sie sich auf ihrem Platz in der ersten Klasse niederließ. Diesmal war ihr Sitznachbar ein Mittfünfziger mit dichtem grauem Haar und der getönten Brille eines Menschen, der unter Lichtempfindlichkeit leidet. Er kritzelte in eine Ledermappe, als sie Platz nahm, und schien ihr keine Beachtung zu schenken. Als die Maschine rasch in den Himmel über den Alpen stieg, riss er ein Blatt aus der Mappe und legte es ihr auf den Schoß. Es war eine kleine Federzeichnung von Mary Cassatts
Zwei Kinder am Strand.
Elena wandte den Kopf und sah ihn ungläubig an.
    »Guten Tag, Elena«, sagte Gabriel. »Ich freue mich, Sie wiederzusehen.«
     

54 Moskau
    Arkadij Medwedews Lebensgeschichte war eine typisch russische Geschichte. Vormals Dissidentenjäger in der Fünften Hauptverwaltung des KGB, wollte er sich auf den Trümmern seines ehemaligen Dienstes eine neue Existenz aufbauen, als er 1994 einen Anruf von einem früheren Untergebenen namens Iwan Charkow erhielt. Charkow hatte einen Vorschlag: Medwedew sollte für ihn einen privaten Sicherheitsdienst aufbauen und leiten, der seine Familie und sein wachsendes globales Finanzimperium schützte. Medwedew nahm das Angebot an, ohne nach dem Gehalt zu fragen. Er kannte die Gepflogenheiten im neuen kapitalistischen Russland gut genug, um zu wissen, dass ein Gehalt - zumindest das, das in einem Arbeitsvertrag stand - nicht viel zu bedeuten hatte.
    Seit nunmehr fünfzehn Jahren leistete Medwedew Iwan gute Dienste, und Iwan hatte sich dafür mehr als erkenntlich gezeigt. Sein Grundgehalt lag mittlerweile bei über einer Million Dollar pro Jahr, und das war nicht schlecht für einen ehemaligen Geheimpolizisten, der nach dem Zusammenbruch des Kommunismus keinen einzigen Rubel mehr besessen hatte. Aber das Gehalt war nur ein Teil seines Vergütungspakets. Darüber hinaus verfügte er über ein großzügiges Spesenkonto und Kleidergeld. Er hatte einen Bentley, Wohnungen in London, Südfrankreich und auf den exklusiven Moskauer Spatzenhügeln. Und dann waren da noch die Frauen - Frauen wie Oxana, eine dreiundzwanzigjährige Provinzschönheit, die er zwei Wochen zuvor in einer Sushi-Bar aufgegabelt hatte. Seitdem lebte sie in seiner Wohnung, in unterschiedlichen Stadien des Unbekleidetseins.
    Wenn Medwedews Stellung einen Nachteil hatte, dann war es Iwans Talent, in den unpassendsten Augenblicken anzurufen. Diesmal kam sein Anruf, als Medwedew und Oxana sich gerade anschickten, gemeinsam den Gipfel der Lust zu erklimmen. Medwedew griff schweißgebadet nach dem Hörer und hob ihn widerwillig ans Ohr. Das folgende Gespräch war kurz, verdarb aber die Stimmung. Hinterher machte Oxana da weiter, wo sie aufgehört hatte, doch

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