Das Moskau-Komplott
die Gegend recht gut, wenn ich mich nicht irre. Laut Mortensen ist Abbas Mitglied der radikalislamischen Bewegung Hizb ut-Tahrir. Außerdem hat uns der jordanische GID mitgeteilt, dass er zum Dunstkreis um Abu Musab al-Zarkawi - Friede seiner Asche - gehört hat.«
»Adrian, wenn ich Sie wäre, würde ich die Gulfstream nach Kopenhagen schicken, mir diesen Marwan greifen und mich mal mit ihm unterhalten.«
»Ich fürchte, Mortensen ist im Moment nicht in der Stimmung, mit uns zu kooperieren. Der PET und die dänische Regierung sind über unser Vorgehen in der Sache Haiton noch etwas ungehalten. Rückblickend denke ich, wir hätten uns auf dem Weg nach Dänemark anmelden sollen. Leider haben wir den Dänen erst hinterher gesagt, dass wir ihrem Land einen Besuch abgestattet haben. Er wird ein Weilchen dauern, bis sie uns diese Sünde verzeihen.«
»Mortensen wird sich schon wieder einkriegen. Die Dänen brauchen euch. Genau wie die anderen Europäer. In dieser verrückten Welt ist Amerika nach wie vor unsere letzte große Hoffnung.«
»Hoffen wir, dass Sie recht haben, Gabriel. In Washington geht derzeit der Glaube um, dass die terroristische Bedrohung nachgelassen habe - oder wir Amerikaner müssten uns eben damit abfinden, dass wir von Zeit zu Zeit ein nationales Wahrzeichen und Menschenleben verlieren. Aber wenn der nächste Anschlag kommt - und er kommt bestimmt, Gabriel -, werden diese Freigeister die Ersten sein, die über die CIA herfallen, weil sie ihn nicht verhindert hat. Ohne die Kooperation der Europäer können wir es nicht schaffen. Und Ihre natürlich. Sie sind unser geheimer Diener, nicht wahr, Gabriel? Sie nehmen uns die Arbeit ab, die wir nicht selbst erledigen wollen oder können. Ich fürchte, auch Iwan fällt in diese Kategorie.«
Gabriel musste daran denken, was Schamron am Abend zuvor in Jerusalem gesagt hatte:
Das machen die Amerikaner gern - Probleme beobachten, aber nichts dagegen unternehmen...
»Iwans Jagdrevier liegt hauptsächlich in Afrika«, fuhr Carter fort. »Aber er hat auch einträgliche Ausflüge in den Nahen und Mittleren Osten und nach Lateinamerika unternommen. In der guten alten Zeit, als wir und der KGB die unterschiedlichen politischen Lager in der Dritten Welt noch nach Belieben gegeneinander ausgespielt haben, haben wir bei den Waffenströmen auch noch Umsicht walten lassen. Das Blutvergießen sollte auf ein moralisch vertretbares Maß beschränkt bleiben. Aber Iwan hat sich über alle Regeln hinweggesetzt und dabei viele der ärmsten Weltregionen vollends kaputt gemacht. Er beliefert Diktatoren, Warlords und Guerillakämpfer bereitwillig mit allem, was sie wollen, und umgekehrt bezahlen sie alles, was er verlangt. Er ist ein Aasgeier, unser Iwan. Er beutet das Leid anderer aus und scheffelt damit Millionen. Er hat mehr Tod und Zerstörung in die Welt getragen als alle islamischen Terroristen zusammen. Und jetzt tummelt er sich auf den Spielwiesen der Reichen und Mächtigen in Russland und Europa und wiegt sich in der Gewissheit, dass wir ihm nichts anhaben können.«
»Warum haben Sie nie etwas gegen ihn unternommen?«
»In den Neunzigerjahren haben wir es versucht. Uns war aufgefallen, dass es fast überall in der Dritten Welt Brandherde gab, und wir haben uns gefragt, wer da wohl Öl ins Feuer gießt. Die Agency begann, in Afrika und im Nahen Osten die Routen verdächtiger Frachtflugzeuge zu verfolgen. Die NSA hörte den Telefon- und Funkverkehr ab. Bald wussten wir ziemlich genau, wo all die Waffen herkamen.«
»Von Iwan Charkow.«
Carter nickte. »Wir haben im National Security Council eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die eine Strategie für den Kampf gegen Charkows Netzwerk entwickeln sollte. Da er nicht gegen amerikanische Gesetze verstoßen hatte, waren unsere Möglichkeiten sehr begrenzt. Wir haben versucht, ein Land zu finden, das bereit wäre, Anklage gegen ihn zu erheben, aber ohne Erfolg. Zur Jahrtausendwende wurde die Lage unhaltbar, sodass wir sogar erwogen haben, zu dem neuen Mittel der
extraordinary rendition
zu greifen, um Iwans Handlanger aus dem Verkehr zu ziehen. Natürlich ist das im Sand verlaufen. Als die alte Administration zusammenpackte, war das Charkow-Netzwerk noch immer dick im Geschäft. Und als die neue Mannschaft ins Weiße Haus eingezogen ist, hatte sie kaum Zeit, herauszufinden, wo die Toiletten waren, da wurde sie auch schon mit dem 11. September konfrontiert. Auf einmal schien Iwan Charkow gar nicht mehr so wichtig zu
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