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Das Moskau-Komplott

Das Moskau-Komplott

Titel: Das Moskau-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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erforderliche Genehmigung für die Herausgabe der Charkow-Akten an Gabriel zu bekommen. Dann verstrichen mehrere Stunden, in denen das Material gesichtet und alles aussortiert wurde, was für die Central Intelligence Agency oder die Regierung der Vereinigten Staaten auch nur im Entferntesten verfänglich war. Schließlich, gegen neunzehn Uhr, wurde es von einem zivilen Van der Agency in der N Street abgeliefert. Carter schaute vorbei, um das Ausladen zu überwachen und sicherzustellen, dass Gabriel eine Einverständniserklärung unterschrieb. Diese Erklärung hatte es in sich. Hastig von einem CIA-Juristen aufgesetzt, drohte sie mit strafrechtlicher Verfolgung und allerlei Zwangsmaßnahmen für den Fall, dass Gabriel die Dokumente oder ihren Inhalt an Dritte weitergab.
    »Dieses Papier ist ein Witz, Adrian. Wie soll ich denn arbeiten, ohne die Informationen weiterzugeben?«
    »Unterschreiben Sie einfach«, sagte Carter. »Nehmen Sie es nicht so genau. So sind sie eben, die Juristen.«
    Gabriel setzte seinen Namenszug auf Hebräisch unter das Papier und reichte es Eli Lavon, der soeben aus Tel Aviv eingetroffen war. Lavon unterzeichnete es ohne Murren und gab es Adrian Carter zurück.
    »Niemand darf dieses Haus betreten oder verlassen, solange sich das Material auf dem Grundstück befindet. Und das gilt auch für Sie beide. Kommen Sie bloß nicht auf die Idee, sich davonzuschleichen, denn ich habe ein Beschatterteam in der N Street und ein zweites in der Gasse postiert.«
    Sobald Carter weg war, teilten sie die Akten untereinander auf und zogen sich in getrennte Räume zurück. Gabriel ließ sich mit mehreren Kartons CIA-Telegrammen und den Unterlagen, die von der mittlerweile aufgelösten Arbeitsgruppe des NSC zusammengetragen worden waren, in der Bibliothek nieder. Eli Lavon nahm das gesamte Material der NSA - die Abschriften und die Originalbänder - und richtete sich damit im Salon ein.
    Den ganzen restlichen Abend bis tief in die Nacht waren sie dem Klang von Iwan Charkows Stimme ausgesetzt. Iwan, der Banker, und Iwan, der Bauherr. Iwan, der Immobilienkönig, und Iwan, der internationale Investor. Iwan, die Symbolfigur des wiedererstarkenden Russlands. Sie hörten zu, wie er mit dem Moskauer Bürgermeister über ein Filetgrundstück an der Moskwa verhandelte, auf dem er eine Shopping Mall nach amerikanischem Vorbild bauen wollte. Sie hörten zu, wie er einen anderen russischen Geschäftsmann zwang, seinen Anteil an einer lukrativen Bentley-Vertretung in der Nähe der Kremlmauer abzutreten. Sie hörten zu, wie er dem Eigentümer einer Londoner Umzugsfirma wegen Schäden, die bei der Anlieferung eines Bösendorfer-Flügels in seiner Villa in Belgravia entstanden waren, mit Kastration drohte. Und sie lauschten einem ziemlich angespannten Gespräch mit einem Untergebenen namens Valerij, der Schwierigkeiten hatte, die Zollfreigabe für eine große Sendung medizinischer Geräte nach Sierra Leone zu bekommen. Die Geräte wurden offenbar dringend benötigt, denn zwanzig Minuten später hatte die NSA ein zweites Telefonat mit Valerij abgefangen, in dem Iwan erklärte, dass die Papiere jetzt in Ordnung seien und das Flugzeug unverzüglich nach Freetown starten könne.
    Wenn sich Iwan gerade nicht seinem weit vernetzten Firmenimperium widmete, jonglierte er mit seinen vielen Frauen. Da war zum Beispiel Jekatarina, ein Supermodel, das er sich für private Vorführungen in einem Pariser Apartment hielt. Oder Tatjana, Stewardess bei Aeroflot, die sich jedes Mal, wenn sich zufällig ihre Wege kreuzten, um sein leibliches Wohl kümmerte. Und die bedauernswerte Ludmila, die, um ihrem trostlosen sibirischen Dorf zu entfliehen, nach London gekommen und an Iwan geraten war. Sie hatte seine Lügen geglaubt und, als sie abserviert wurde, damit gedroht, Elena alles zu erzählen. Ein anderer hätte versucht, die Situation mit kostbaren Geschenken oder Geld zu entschärfen. Nicht so Iwan. Er drohte, sie umbringen zu lassen. Und dann drohte er, auch ihre Eltern in Russland umzubringen.
    Von Zeit zu Zeit blieb ihnen Iwans Stimme erspart, und sie hörten stattdessen die Stimme Elenas. Obwohl sie keine offizielle Zielperson der Überwachung war, geriet sie jedes Mal ins Netz der NSA, wenn sie eines von Iwans Telefonen benutzte. Sie war Seide gegen Iwans Stahl, die Kultiviertheit in Person gegenüber Iwans Dekadenz. Sie hatte alles, was man mit Geld kaufen konnte, schien sich aber nichts mehr zu wünschen als einen Ehemann, der wenigstens

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