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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Politbüros, über die absurden Pseudodiskussionen, das Beharren auf Einmütigkeit, die Feigheit, die Dinge beim Namen zu nennen, die Sturheit der Ideologen, auch wenn deren übelster, Michail Suslow, vor Kurzem gestorben war.
    Der abendliche Blick auf den Dserschinski-Platz. Während er sich im Fensterspiegel betrachtete, das Bild sich mit der Dunkelheit konturierte und er seine Müdigkeit, seine Niedergeschlagenheit, die er vielleicht sah, aber eher fühlte und in das schärfer werdende Selbstporträt hineindachte, während sich sein gespiegeltes Gesicht mit den Autos draußen vermengte, erwog er die doch so vernünftigen Zweifel an seinem Projekt, von dem am sichersten war, dass er immer noch nicht wusste, wie er es verwirklichen könnte. Wenn er nichts tat, würde die Sowjetunion untergehen. Er erschrak immer wieder angesichts dieser größenwahnsinnigen Behauptung, aber es war die Wahrheit. Manchmal hängt die Welt an einem Einzelnen oder an wenigen. Warum, verdammt, sahen es nicht alle?
    Er hatte sich in den letzten ein, zwei Jahren umgehört, unter Vorwand nach Abtrünnigen und Verrätern gesucht und die bespitzeln lassen, die infrage kamen oder derenverdammte Pflicht es wäre, das Ruder herumzureißen. Aber er war nur auf, das war schon das Höchste, Unentschlossenheit gestoßen oder auf Verdrängung, Feigheit, Verblendung und was die Eigenschaften noch waren von Menschen, die vor der Entscheidung standen, Mut zu zeigen, um das Richtige zu tun.
    Wo waren die Leute, mit denen sie den Krieg gewonnen hatten? Waren sie alle nur vor den Gewehren des NKWD nach vorn davongelaufen gegen die Deutschen? Hatte es nicht auch unzählige Beispiele des Heldentums gegeben? Aber dann erinnerte sich Eblow, und dies nicht zum ersten Mal, dass der Mut es leichter hatte, wenn die Lage einem nur einen einzigen Ausweg ließ, den der Angst.
    Eblow fühlte sich wie von gläsernen Wänden umgeben, und wohin er auch ging, er stieß gegen ein Hindernis. Gespräche fielen ihm ein, die er seit Jahren führte und in denen er vorsichtig, ganz vorsichtig vorfühlte, um Leute zu finden, die mit ihm gemeinsame Sache machen könnten.
    »Die Führung wird schon wissen, was sie tut.« – »Wir kennen doch nicht alle Tatsachen und können es nicht beurteilen.« – »Uns geht es gar nicht so schlecht, wie manche behaupten, ich finde, das Angebot in den Läden ist schon wieder besser geworden.« – »Ja, Breschnew, der war in den letzten Jahren einfach zu alt, hat aber große Verdienste. Lass die Neuen mal in Tritt kommen, das wird schon.« – »Wir haben schon ganz andere Sachen ausgehalten.« – »Die Partei weiß, was sie tut. Und der Tschernenko, wenn er wirklich mal Generalsekretär wird, ich glaube, der wird unterschätzt, du wirst es sehen.« – »Dein Gemecker bringt uns auch nicht weiter. Schreib einen Leserbrief, geh zu deinem Parteisekretär, das ist der richtige Weg.«
    Nur die Dümmsten und Verbohrtesten stritten ab, dass es überhaupt eine Krise gab. Dass sie tödlich sein konnte, hatte aber kaum einer begriffen. Dabei war essonnenklar, dass die Sowjetunion untergehen würde, wenn sie Wirtschaft und Gesellschaft nicht radikal umbauten. Unklar war, wie dieser Untergang aussehen würde, ob die letzte Garde im Politbüro in unfreiwilliger Komplizenschaft mit den wild gewordenen Amerikanern tatsächlich zum letzten Gefecht antreten würde.
    Um Himmels willen, Tschernenko. Eblow musste lächeln in seinem Fensterspiegel. Dass er noch einmal den Himmel anrufen würde! Aber sonst war ja niemand da, der ihm helfen konnte. Außer vielleicht, ja, vielleicht …
    Leutnant Towaritsch ließ sich schon streicheln, unwillig noch, aber als Preis für das regelmäßige Essen und die gute Laune seines Spenders duldete er ein paar Streicheleinheiten, bis er sich genervt abwandte, um zu fressen. Henri hatte bald erfahren, dass sich die Katze dabei gar nicht stören lassen wollte, die drei Striemen auf seiner Hand waren notdürftig verheilt.
    In seinem Büro erwartete ihn Weihrauch, der sich in der Besucherecke niedergelassen hatte. Mit dem Pressechef hatte er sich längst arrangiert, der ließ Henri in Ruhe. Ab und an musste Weihrauch aber den Vorgesetzten herauskehren, wohl damit er sich nachher versichern konnte, er sei doch das Alphatier. Dass da etwas mit Angela lief, hatte er gewiss bemerkt, und wahrscheinlich war er eifersüchtig auf Henri, ohne aber eigene Ambitionen zu haben. Weihrauch vergötterte seine Frau, die ihn hin und wieder in der

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