Das Moskau-Spiel
muss gemeldet werden, das wissen Sie doch. Sie sind ein alter Hase, und jetzt das!
»Einverstanden?«, fragte Scheffer.
»Dann leisten wir mal Amtshilfe für die Fantasten«, sagte Henri.
Sie hatten einen Konferenzraum im Hotel Rossija gemietet, einem gigantischen Betonkasten mit anhängenden Gebäuden in der Stadtmitte. Die Delegation bestand aus sieben Herren der Mannesmann-Führungsetage, und wenn man nicht genau hinguckte, sahen sie alle irgendwie gleich aus. Dann erschien eine große, schlanke Frau mit gelockten pechschwarzen Haaren im kleinen Schwarzen, schwarz auch die geschwungene Brillenfassung. Henri fand sie großartig, bewunderte vor allem, wie souverän sie vermeintlich bescheiden eintrat und doch jede Sekunde wusste, dass sich alle Blicke auf sie richten würden. Henri spielte Scheffers Adlatus, und der begrüßte die Dame, das war sie wirklich, mit einem umwerfenden Lächeln und einem Handkuss. Sie sagte ihm, wie sehr sie sich freue, wieder für ihn zu arbeiten, und Henri hörte heraus, dass sie zu jenen Russinnen zählte, die exzellent Deutsch sprachen, ohne ihre harte Aussprache ganz verbergen zu können. Sie war die Dolmetscherin, deren Engagement durch Scheffer es den Mannesmann-Leuten erspart hatte, eine eigene mitzubringen. Wenn Henri Mannesmann-Manager gewesen wäre, er hätte auf einem eigenen Dolmetscher bestanden.
Plötzlich stand Scheffer neben Henri. »Der mit derblau-weiß gestreiften Krawatte und dem Schnurrbärtchen. Ich werde Sie neben ihn setzen, und Sie werden sein, na gut, zweitbester Freund.«
Henri grinste, als hätte Scheffer einen schrägen Witz erzählt, und ließ sich von ihm zum Platz neben dem als Opfer ausgeguckten Mann am Konferenztisch führen.
»Herr Dr. Winterroth, das ist Herr Martenthaler, ein Mitarbeiter unserer Botschaft. Er hilft mir in allen Medienfragen und kennt unsere Journalisten in Moskau, sodass Sie gleich von hier aus zu Hause gut Wetter machen können. Es gibt ja immer wieder diese Nörgler, die gegen Geschäfte mit der Sowjetunion sind, nicht wahr?« Er war schrecklich besorgt.
Winterroth war ein mittelgroßer, gut aussehender Mann in den besten Jahren, der offenbar Sport trieb, worauf seine gesunde Hautfarbe und die straffe Körperhaltung schließen ließen. An einem Glitzern im Auge erkannte Henri, dass der Mann Kontaktlinsen trug. Sein Händedruck war betont kräftig und seine Stimme angenehm, wenn auch etwas zu tief, wie Henri fand. Winterroth signalisierte seiner Umgebung jederzeit seine Männlichkeit, und dies vermutlich mit zunehmendem Alter umso mehr. Er wird sich mit fünfundsiebzig eine junge Frau suchen und mit ihr ein Kind in die Welt setzen. Nach der Vorstellung verzog sich Scheffer zur Dolmetscherin, während Henri sich nach der Reise und dem Wetter in Düsseldorf erkundigte, wo die Zentrale der Firma in einem riesigen Betonklotz residierte. Winterroths Blick folgte Scheffer, um sich dann auf die Dolmetscherin zu richten.
»Eigentlich erwartet man hier ja so was wie Matronen«, sagte er.
Henri schaute ihn amüsiert an. »Die gibt es natürlich auch. Soll ich Ihnen ein paar zeigen?« Er dachte an die eine Wärterin in dem Haus, in dem er und Angela wohnten.
Sie setzten sich nebeneinander. Winterroth fragteHenri aus, wie es ihm in Moskau gefalle, wie er die Abende und Nächte totschlage, ob tatsächlich Tschernenko Generalsekretär werde. Als Henri nickte, fragte Winterroth, ob das irgendwelche negativen Wirkungen haben könne, auf die Geschäftsbeziehungen zum Beispiel. Nein, sagte Henri, das ändere gar nichts. Leider in vielerlei Hinsicht. So könne es geschehen, dass die westdeutsche Politik noch stärker unter amerikanischen Druck gerate, die Handelsbeziehungen mit dem Osten herunterzufahren oder gleich ganz einzufrieren. Keine Röhren in die Sowjetunion liefern, damit die richtig in Schwierigkeiten komme. Öl und Erdgas im Überfluss, aber nicht die Mittel, die Rohstoffe in großen Mengen über weite Entfernungen zu transportieren. »Im Winter frieren die Leute«, sagte Henri, »während in Sibirien die Pipelines verrotten.« Winterroth zog eine Zigarettenschachtel hervor, legte sie auf den Tisch und steckte sie gleich wieder ein, um der Dolmetscherin einen langen Blick widmen, genauer gesagt ihrem Hintern, denn sie hatte den beiden den Rücken zugewandt, während sie sich angeregt mit drei Männern der Delegation und Scheffer unterhielt, wobei der heftig gestikulierte und die Gruppe immer wieder in Lachen ausbrach. Scheffer war
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