Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
Vom Netzwerk:
Alters mit kurzen braunen Haaren, die noch kein Wort gesagt hatte. »Pendelst du dann immer?«, fragte sie. »Zwischen Moskau und München?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, da gibt es noch nichts zu pendeln. Ich glaube, dann würde ich eher nach Moskau ziehen.«
    Sie lächelte ihn an.
    Theo war erleichtert, als er merkte, dass ihm niemand mehr Fragen stellte. Seine Mitreise verhinderte, dass die anderen für das ausgefallene Gruppenmitglied mitbezahlen mussten, und wenn er sich in Moskau absonderte, konnte es ihnen egal sein. Es war für die Gruppe wie für Theo eine ideale Weise, nach Russland zu reisen. Bei einer Einzelreise hätte er länger warten müssen, eswäre teurer gewesen, schon wegen der eigentlich unbezahlbaren Hotels.
    Auf dem Flug saß Theo neben der Rothaarigen. Sie trank Bier, las und würdigte ihn keines Blicks. Links neben ihm, am Fenster, ein alter Mann, der streng nach Schweiß und Schmutz roch. Theo schloss die Augen und überlegte, was er tun könnte, wenn er in Moskau war. Wie sollte er anfangen? Er war völlig auf sich allein gestellt. Es wurde ihm jetzt sonnenklar. Du bist ganz allein. Und er hatte nicht einmal Doppelgängerpapiere dabei. Plötzlich packte ihn die Angst wie ein fiebriger Schüttelfrost.
    Theos Angst verkroch sich, aber nicht weit genug, um ihre Gegenwart vergessen zu können, als die Maschine über die Piste des Scheremetjewo-Flughafens holperte und die Triebwerke den Gegenschub herausdonnerten. Ich habe eine Panikattacke gehabt, ich wollte wieder trinken. Immerhin habe ich es nicht getan. Die nächste Attacke wird kommen, aber jetzt bleib erst mal ruhig, jetzt geht es durch die Kontrolle. Sie werden dich durchlassen. Du hast nichts getan, das sie darauf bringen könnte, dich auch nur eine Sekunde länger als normal zu kontrollieren. Und wenn du durch bist, wird ein Bus auf die Gruppe warten und sie zu dem Hotel bringen, in dessen Nähe Scheffers Leiche auf der Straße gelegen hatte. Ein merkwürdiger Zufall, aber es half ihm nicht. Denn dort würde er nichts mehr finden. Und dort war Scheffer nicht getötet worden, sondern schon vorher, und nicht durch ein Auto. Sonst hätten die russischen Behörden nicht diesen Affentanz aufgeführt.
    »Zum ersten Mal in Moskau?«
    Robert stand neben ihm und schaute ihn durch seine dicken Brillengläser halb interessiert an. Manche Menschen fürchteten sich vor Kontrollen, Robert gehörte wohl zu ihnen. Die Frage nach Moskau hatte Theo schon beantwortet, aber er wollte nicht unhöflich sein.
    »Das dritte Mal.«
    »Ich auch«, sagte Robert. Er schob sich eine Locke aus dem Auge.
    »Und wann?«
    Die Reihe ruckte ein paar Schritte nach vorn.
    »Das erste Mal 1987, da war das hier ganz anders.«
    »Bestimmt«, sagte Theo.
    »Es war sowjetisch. Steif, aber das hatte was.«
    »Und was hast du hier gemacht?«
    »Ich war auf der Parteihochschule.«
    »Parteihochschule?«
    Robert nickte und verzog sein Gesicht zu einem breiten Lachen, das aber nicht ausbrechen wollte.
    Die Warteschlange schlurfte ein paar Zentimeter weiter. Theo erkannte schon die drei Glaskästen, in denen je ein Grenzbeamter saß.
    »Es war hier nicht schlecht in der Sowjetzeit. Keine Jelzin-Milliardäre, immerhin. Und keine Mafia.«
    »Gibt’s in der Sahara auch nicht«, sagte Theo.
    Wieder das Lachen, das nicht kommen wollte. »Da gibt’s auch keinen Wodka«, sagte Robert.
    »Heute gibt es hier alles.« Bleib gelassen, es wäre Quatsch, sich mit Robert zu streiten über Glaubensfragen. »Kennst du das Hotel, in das wir gehen?«
    Robert schüttelte den Kopf. »Wird schon gut sein. Die Gegend da draußen ist ganz schön. Der Blick.«
    Aus irgendeinem Grund verschwieg Theo, dass er den Ismailowopark kannte. Dass er, wenn auch nur von außen, den Hotelkomplex schon gesehen hatte, einen der Bauten für die vom Westen boykottierten Olympischen Spiele 1980 in Moskau.
    »Das dauert«, meckerte von hinten die Rothaarige. »Und es nervt.«
    Theo schaute sich um und sah, dass sie schnaubte und dann wieder ein Buch vor die Nase nahm. In seinem Magen krampfte es sich. Wenn er nur endlich die Kontrolle geschafft hatte. Er kam sich vor wie eingeschnürt.
    Von hinten drängte die Menge ihn quälend langsam, aber unaufhaltsam auf die Glaskästen zu. Der großen Warteschlange erwuchsen vorn drei kleine Köpfe. Die Menschen verteilten sich auf drei Schlangen, und wer dran war, musste allein an die Seite eines Glaskastens treten, seinen Pass auf einen schmalen Tresen legen, die prüfenden

Weitere Kostenlose Bücher