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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Blicke des Kontrolleurs über sich ergehen lassen, dann die Sichtung des Passes und warten, bis dieser gescannt war, um die Daten der Einreisenden zu speichern und sie womöglich mit einer Fahndungsdatei abzugleichen.
    Wieder ein paar Schritte nach vorn.
    Theo fuhr sich mit dem Ärmel über die Stirn, Robert schaute zu.
    »So warm ist es nun auch wieder nicht.«
    »Wenn du auf der Parteischule warst, dann warst du also Kommunist …«
    »Bin ich immer noch. Wenn auch nicht mehr so vernagelt.«
    Vor Theo standen zwei Geschäftsmänner, die offenbar gemeinsam reisten. Beide hatten die unentbehrliche Lederaktentasche in der Hand. Sie flüsterten miteinander, bis der eine die paar Schritte machte, die ihn an die Schalteröffnung des Glaskastens brachte. Theo beobachtete genau, was geschah. Der Uniformierte erwiderte den Gruß des Mannes nicht, nahm stattdessen dessen Reisepass vom Tresen. Er blätterte darin, dann streckte er vier Finger auf die Rückseite und den Daumen als Gegenstütze auf die Vorderseite, um den Pass mit dieser nach unten zu legen, einen Augenblick so zu verharren und ihn dann dem wartenden Geschäftsreisenden zurückzugeben. Dies alles mit völlig ausdruckslosem Gesicht. Eine äußerst sparsame Bewegung mit dem Zeigefinger schickte den Mann durch die Kontrolle. Bei seinem Kollegen geschah das Gleiche. Theo wurde noch nervöser. Rechts sah er Robert mit seinem Lachen, das nicht ausbrechen wollte, einer Kontrolleurin zunicken, was diese aber nicht im Geringsten berührte.
    Dann war der Platz am Glashäuschen plötzlich frei. Der Grenzbeamte guckte Theo streng an, bis dieser endlich nach vorne ging, eher stolperte und sich in diesem Augenblick innerlich verfluchte wegen seines Leichtsinns, was ihn aber merkwürdigerweise auf einen Schlag beruhigte, ausreichend jedenfalls, um vor den prüfenden Augen des Kontrolleurs zu stehen und den Blick scheinbar kühl zu erwidern, die mit dem Pass zum Scanner herabsinkende Hand fast ganz zu übersehen und kein bisschen erleichtert zu sein, als die Hand wieder auftauchte und ihm den Pass entgegenhielt. Dann der Fingerzeig. Endlich. Und nun?
    › ‹
    Was man sieht, kann man kontrollieren. Natürlich wusste Major Eblow, was Martenthaler, Scheffer, Mavick und so weiter und so fort in der Sowjetunion trieben. Die eigenen Leute taten das in deren Ländern auch. Eblow hatte eine durch und durch sachliche Haltung zur Spionage. So ärgerlich gegnerische Erfolge waren, vor allem für die Abwehr natürlich, die Nachrichtendienste der beiden Weltlager sorgten doch dafür, dass die Führungen, denen sie berichteten, einigermaßen informiert waren. Wenn die das wollten. Wer weiß, was läuft in der Welt, kann besser entscheiden. Eblow überlegte, wie viele Verrücktheiten schon verhindert worden waren, nur weil die Nachrichtendienste ihre Herren, oft so eitel, selbstverliebt, unfehlbar und größenwahnsinnig, auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt hatten. Er kannte aber auch die Schattenseite, die unzähligen Botschaften, die niemand überbracht oder geglaubt hatte. Stalin, der nicht eingestehen konnte, dass der deutsche Überfall bevorstand, und sich für seinen Irrtum brutal rächte an Richard Sorge und seiner Frau, weil der ihn durch seine Wahrheiten zum Idioten gestempelt hatte. Chruschtschow, der tatsächlich glaubte, er könne Atomraketen auf Kuba stationieren, hatte sich von Warnun gen gar nicht beeindrucken lassen. Dagegen hatten die Amerikaner durch Agenten der CIA früh Wind bekom men. Es war immer die gleiche Konstellation: Was die Dienste meldeten, war das eine. Und das andere war, was die Regierungen daraus machten.
    Jetzt hatten sie ein drittes Stadium erreicht. Die Führung rechnete mit einem amerikanischen Atomschlag, der Enthauptung, und setzte die Erste Hauptverwaltung darauf an. Und auch sonst alles, was laufen und beobachten konnte. Nun wusste Eblow nicht, was die Genossen der Ersten Hauptverwaltung bisher herausgefunden hatten, aber das schien ihm zunehmend unwichtig. Weil es nicht mehr um Tatsachen ging. Eblow hatte die eigenen Zeitungen, Radio und Fernsehen verfolgt, und er hatte auch westdeutsche Zeitungen gelesen und die Deutsche Welle gehört, manchmal auch die Hysteriker von Radio Liberty. Überall im Westen gingen so viele Leute auf die Straße gegen den Kriegskurs der Amerikaner, dass inzwischen die eigene Regierung glaubte, es müsse geschehen, was diese Leute auf der Straße fürchteten.
    »Schwierige Fragen, nicht wahr, Kasimir Jewgonowitsch?«

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