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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Autofahrer aus den Autokolonnen herauswinkten. Obwohl die Miliz sich vor allem für korrekte Fahrzeugpapiere und Alkohol interessierte, kroch Theo die Angst in den Unterleib. Aber die Polizisten ließen sie unbehelligt passieren.
    Protossow war immer noch stinksauer. Hin und wieder brummelte er etwas Unverständliches vor sich hin, als beschimpfte er sich selbst, dass er in die Tretjakow-Galerie gekommen war. Der Zorn auf seine Vorgesetzten hatte ihn getrieben und in die Falle gelockt. Jetzt fuhr er mit einem durchgeknallten Typen durch Moskau und würde für jeden Mist, den der verbockte, mit in die Scheiße geraten. Er sah sich schon im Arbeitslager vergammeln, während dieser Westzögling gewiss nur ein bisschen eingeschüchtert wurde, bevor man ihn in die Bequemlichkeit seines Beamtenlebens zurückführte. Und wie wollte der Kerl was herausbekommen? Die Leiche war verbrannt, die Fotos eben nicht gefälscht, nirgendwo gab es einen Ansatzpunkt für eine Recherche.
    »Wir sind gleich da«, sagte Protossow. »Sie werden sich wer weiß was abfrieren.« Das befriedigte ihn. Wäre ja noch schöner. »Aber Sie wollen es so.« Er stellte sich vor, wie Theo sich was abfror, und seine Laune hob sich ein klein wenig.
    Der Professor hatte versucht, Theo zu überzeugen, dass er so bald wie möglich Russland verließ. »Sie kommen in Teufels Küche, die machen Sie fertig, wie wollen Sie in einem Land ermitteln, dessen Sprache Sie ja keineswegs perfekt beherrschen, wen wollen Sie denn befragen?« Er hatte ihn mit Fragen überschüttet, aberTheo hatte weniger als einsilbig geantwortet. Er wusste es ja selbst nicht.
    Wahrscheinlich hatte Protossow recht, bestimmt bin ich ein Idiot, der sich im günstigsten Fall Beulen holen würde und sonst gar nichts. Je weiter sie auf dem Rjasanskiprospekt in Richtung Osten fuhren, auf einem Straßenschild stand Ljuberzi, je ländlicher es wurde und je dünner der Verkehr, desto größer seine Verunsicherung, vor allem über sich selbst. Was, verflucht, machst du hier eigentlich? Warum bist du nicht in München geblieben, um das mit Paula zu klären? Sie haben dich hereingelegt, richtiggehend verarscht. So was mag keiner, aber warum steckst du es nicht weg? Weil ich ein sturer Bock bin, antwortete er sich selbst, weil ich bin wie mein Vater, dieser Mistkerl. Dieser Mistkerl. Der bestimmt was weiß, sonst hätte mich Klein nicht zu ihm geschickt. Der was weiß und der nichts sagt. Der den eigenen Sohn ins Unglück rennen lässt und zu Hause auf dem Balkon sitzt, auf die Vogesen glotzt und Rotwein säuft.
    Theo hatte Protossow erst überreden wollen, ihn bei sich zu Hause unterzubringen. Aber der Professor hatte erklärt, er habe nur eine kleine Wohnung in einem Block, wo auf den benachbarten Etagen jeder jeden kenne und ein Ausländer sofort auffiele. »Sie finden immer einen, der die Miliz anruft.« Dann hatte er Theo vorgeschlagen, die Datscha zu nehmen, draußen in Ljuberzy, immerhin könne er dort zu Fuß zur Bahn laufen und sei in einer guten halben Stunde in der Innenstadt, am Jaroslawer Bahnhof. Allerdings gebe es da draußen nur einen elektrischen Heizlüfter, aber immerhin, das sei doch besser als nichts. Wenn er ein paar Bettdecken übereinanderlege, könne er dort ganz gut schlafen, und so kalt sei es ja noch nicht. Und er dachte, wie schade.
    Protossow kurvte in einer Siedlung mit matschigen schmalen Straßen umher, fuhr links, dann rechts, bis er endlich vor einem geduckten dunkelgrünen Holzhaus stand, das ein Lattenzaun vom Weg abgrenzte. Die Fensterläden waren geschlossen. Links und rechts standen weitere Häuser in diesem Stil, im rechten schienen Leute zu wohnen, weißer Rauch quoll aus dem Schornstein. Es roch nach verbranntem Holz. Blattlose Birken standen traurig am Wegesrand.
    »Kommen Sie!« Protossow stieg aus, und Theo tat es ihm nach. Der Professor öffnete die Gartentür und ging zum Haus. »Warten Sie hier.« Protossow verschwand um die Ecke, Theo hörte es metallisch klappern, bis der Professor mit einem Brecheisen zurückkehrte. Er drückte das zu einer groben Schneide abgefeilte Ende zwischen Tür und Rahmen und drückte. Mit einem Knall sprang die Tür auf. »Damit ich später behaupten kann, Sie seien hier eingebrochen. Auch wenn mir das vermutlich keiner glauben wird. Ganz zu Recht. Die russische Justiz ist natürlich noch gerechter und unbestechlicher, als es die sowjetische war. Sie findet alles heraus und bestraft die Schuldigen unnachsichtig. Das walte

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