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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Leuten umgebracht worden war, die es morgen schon vergessen hatten? Du denkst zu viel hinein, du hast Angst. Viel unauffälliger und daher verdächtiger konnte doch die Frau mit der Dauerwelle rechts neben den beiden Militärfreaks sein, die so unscheinbar in einer Boulevardzeitung blätterte, welche sich auf der Titelseite in rot kreischenden Lettern über die sexuellenVerfehlungen eines blondierten Sternchens ausließ, das mit einer rekordverdächtig tief aufgeknöpften Bluse abgebildet war. Oder der junge Mann neben der Frau, mit messerscharfem Rechtsscheitel, einer modernen Brille mit dünnem Metallgestell und dünnen Lippen, als würde er sie zusammenpressen. Er interessierte sich offenbar nur für sein Taschenbuch. Nein, ein Verfolger würde sich nicht in die Nähe setzen, redete Theo sich ein. Ein Verfolger will nicht auffallen. Aber vielleicht war es so, dass es dem Beschatter inzwischen egal sein konnte, ob Theo ihn erkannte oder nicht. Sie kriegten ihn sowieso.
    Ob ich überhaupt bis zum Kasaner Bahnhof komme? Und wenn ja, was dann?
    › ‹
    »Du gehst weg«, sagte Angela, als sie in ihrer kleinen Küche standen. »Ich habe es mir nicht ausgedacht, es gab ein Gerücht. Und irgendwie passt es. Das da drüben« – ihre Nase zeigte in Richtung von Henris Wohnung – »war wohl der Abschiedsgruß der Genossen.«
    »Ich muss, sie lassen mir keine Wahl.« Henri war es nun egal, ob sie abgehört wurden.
    »Du hast was ausgefressen.« Sie war wehmütig.
    »So ähnlich.«
    »Das war unvermeidlich?«
    »Ja.«
    »Aber du kannst nicht sagen, was es war.«
    »Nein.«
    Sie schwiegen ein paar Minuten, während Henri Kartoffeln schälte und Angela Zwiebeln schnitt. Bald füllten Tränen ihre Augen.
    »Nicht dass du denkst, ich würde wegen dir Mistkerl heulen.«
    »Das würde ich nie denken.«
    Henri nahm sie in die Arme, drückte sie und wischteihr dann mit seinem Taschentuch die Tränen von den Wangen. »Das liegt am stumpfen Messer, dann beißen die Zwiebeln besonders stark.«
    »Hat es sich wenigstens gelohnt, Henri?«
    Er zögerte, dann flüsterte er ihr ins Ohr: »Ja.« Laut sagte er: »Nein. Es hat nicht geklappt.«
    »Ich merke schon, du willst nicht darüber sprechen, du Geheimniskrämer.«
    »Wie hast du das erraten, du Schlaumeierin?«
    In der Nacht schliefen sie miteinander, aber es war mehr mechanisch als liebevoll und es gehörte fast schon zur Erinnerung. Henri war im Kopf bereits auf der Flucht, und sie fühlte sich verlassen. Er schlief unruhig, wälzte sich oft, und sie quittierte es mit einem Brummen im Halbschlaf. Am Morgen waren beide viel zu müde. Sie frühstückten hastig und fast wortlos. Henri packte seine Reisetasche und einen Koffer, der mit dem Diplomatengepäck nachgeschickt werden würde. Dann gingen sie gemeinsam zur Botschaft, und Henri wusste, dass sie ihn vielleicht schon geschnappt hätten, wenn Angela ihn nicht begleitet hätte. Noch würden sie versuchen, ihn allein zu erwischen, erst wenn sie keine Wahl mehr hatten, würden sie das Risiko erhöhen. Niemals durfte er die Sowjetunion verlassen, jedenfalls nicht lebend. Der Lada zockelte hochtourig keine zwanzig Meter mit qualmendem Auspuff hinter ihnen. In der Botschaft schrieb er eine kurze Notiz an Scheffer, die ihm übergeben werden sollte, wenn er das nächste Mal auftauchte. Als er den Brief eingetütet hatte, klopfte es an der Tür und Scheffer trat ein.
    »Wollte mich verabschieden«, sagte er. »Sehen Sie es als Zeichen der Dankbarkeit für Ihre Hilfe bei unserer kleinen Konferenz.«
    Henri deutete auf den Besucherstuhl und schob den Brief über den Tisch.
    Scheffer öffnete den Umschlag, las und überlegte.
    Dann erhob er sich und nahm sich Henris Notizblock, zückte einen Kugelschreiber, schrieb und sagte: »Unsere Vorgesetzten sind wirklich unberechenbar. Ich bedaure es sehr, dass Sie zurückgerufen werden, und hoffe, Sie dann einmal woanders zu treffen, vielleicht ja in München.«
    Er schob Henri das Notizheft zu. Darin stand: Muss ich was aufräumen? Kann ich helfen? Warum?, wenn ich fragen darf.
    Henri las und schrieb, während er sagte: »Ich freue mich auf München. In Moskau ist es doch sehr kalt, während zu Hause der Frühling auf mich wartet.« Und er dachte: Das KGB muss uns für bescheuert halten.
    Er schob Scheffer das Notizbuch zurück: Mein Ab gang wird gefährlich. Die Freunde wollen mich greifen. Mehr darf ich dir nicht verraten. Ich muss unbemerkt aus der Botschaft kommen.
    Scheffer las, überlegte und

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