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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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dass die Amerikaner nicht genauso dumm waren. Allerdings, dann wäre seine Aufgabe auch weniger reizvoll. Und Dummköpfe verachtete Eblow genauso abgrundtief, wie er grusinischen Weinbrand liebte.
    Eblow bedachte, was er nun befehlen musste. Den Neuen überwachen, auf die Probe stellen, Köder auslegen, vielleicht einschüchtern, eines nach dem anderen. Mal sehen, in welcher Reihenfolge. Bin gespannt, wie der darauf reagiert, dieser Henri, wirklich ein seltsamer Name für einen Deutschen, so amerikanisch.
    Und natürlich mussten sie prüfen, inwieweit diese vielleicht nur scheinbar unwichtige Änderung in der BRD – Botschaft mit dem zusammenhing, was die politische Führung und die Leitung des KGB raketno yadernoye napadenie nannten, Raketenangriff, kurz RYAN .So hieß die gigantische Operation, die Suche nach Anzeichen dafür, dass der Feind den Enthauptungsschlag vorbereitete. RYAN war in diesen Monaten das Überlebensprogramm der Sowjetmacht, überall auf der Welt spähten und lauschten die Kundschafter des KGB und seine Agenten auch nach geringsten Indizien für einen bevorstehenden Angriff, um die Führung in Moskau rechtzeitig warnen zu können. Denn der Feind würde irgendwann nicht mehr nur provozieren. Das war gewiss. Und es stand kurz bevor.
    Brannten mehr Lichter in wichtigen Ministerien in Washington, London, Paris, Bonn? Gab es Nahrungsmittellieferungen zu Regierungsbunkern? Herrschte auf Militärflugplätzen mehr Betrieb? Fanden Militärübun gen statt, vor allem in Westdeutschland? Wie verhielten sich die BRD – Zollbeamten an der DDR – Grenze? Gab es mehr Autoverkehr zwischen den westlichen Botschaf ten? Reisten wichtige westliche Diplomaten aus Haupt städten des sozialistischen Lagers ab? Zeigte sich das NATO – Hauptquartier in Brüssel besonders geschäf tig? Oder erwies es sich als auffällig schlecht besetzt, um uns zu täuschen? Wo waren und was taten wichtige Atomphysiker in den USA ? Wo hielten sich die Mitglie der des Sicherheitsrats des amerikanischen Präsidenten auf? Was wollten die westlichen Geheimdienste jetzt gerade wissen, worauf setzten sie ihre Mitarbeiter und Spione an? Gab es mehr westliche Spionageaktivität im Warschauer Pakt oder zogen sie ihre Leute schon ab? Sicher schien eines: Der Feind stellte neue Raketen auf, die die Sowjetunion enthaupten, wehrlos machen soll ten, er bereitete seine Völker darauf vor, die westlichen Sicherheitsexperten träumten schon öffentlich vom Sieg im Atomkrieg. Der US – Präsident machte sogar Witze darüber. Was sie als Nachrüstung gegen Sowjetraketen verkauften, das war in Wahrheit die Rüstung zum letz ten Gefecht. Ihr Ziel war es, die Sowjetmacht ein für al le Mal vom Erdball zu tilgen, den historischen Fehler von 1917 wettzumachen. Und jetzt endlich, so glaubten sie, hatten sie die Mittel dazu. Doch das KGB und die Rote Armee würden ihnen wieder einen Strich durch die Rechnung machen, wie nach der Oktoberrevolution, wie im Zweiten Weltkrieg, wie in Korea und in Vietnam.
    Eblow war ganz in Gedanken versunken, als er auf dem Dserschinskiplatz eintraf. Er lächelte dann doch. Eigentlich war es ein schöner, verantwortungsvoller Beruf, dem er nachging. Und aufregend war er auch. Rätsel, immer neue Rätsel. Eblow liebte es, Rätsel zu lösen. Er zwirbelte den Schnauzer. Gleich, wenn er in der Lubjanka an seinem Schreibtisch saß, würde er die ersten Züge einleiten im neuen Spiel. Als er vor dem Tor der Lubjanka auf Einlass wartete, war das Lächeln aus seinem Gesicht verschwunden. Schließlich war der Genosse Breschnew gestorben.
    › ‹
    Auf der nächtlichen Rückfahrt ging Theo im Kopf noch einmal durch, was sie besprochen hatten. Aber wie er es drehte und wendete, er kam nicht weiter. Der Vater hatte sich bedeckt gegeben, wollte aber offenkundignicht, dass Theo es merkte. Ein bisschen lächerlich. Da war irgendwas, das er dem Sohn nicht erzählen wollte. Es konnte wichtig sein oder unwichtig. Aber es war immer so gewesen mit dem Vater, oft musste man ihm die Wörter einzeln aus dem Mund ziehen. Daher konnte Theo nicht abschätzen, was hinter dem Schattenspiel des Vaters steckte. Womöglich gar nichts.
    Als Sohn hatte er darunter gelitten, dass der Vater meist schwieg. Vielleicht hatte sich ihm deshalb manches von dem wenigen so nachhaltig eingeprägt. Da war diese Szene im Wohnzimmer, die Eltern hatte sich mal wieder gestritten, was bedeutete, dass die Mutter sich aufregte, und wie sie sich aufregte, und dass Henri gar nichts

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