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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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eingehüllt in einen maßgeschneiderten dunkelgrauen Dreiteiler mit gemaserten Knöpfen, wie Henri seltsamerweise gleich auffiel. Er hatte einen schmalen Schnauzer, schwarze Haare mit grauen Strähnen und ein kantiges Gesicht, aus dem Henri stahlblaue Augen ansahen, als wollten sie ihn als Beute fixieren.
    »Ich bin Viktor Grujewitsch, Leiter des Pressehauses in Moskau. Also der Mann, an den Sie sich wenden sollten, wenn Sie etwas wünschen.« Eine tiefe, fast gewaltige Stimme. Er lächelte, indem er die Mundwinkel ein wenig nach außen zog, und reichte Henri ein Glas.
    »Auf gute Zusammenarbeit«, sagte Henri und hob das Glas. Nun habe ich meinen ersten KGB – Kontakt, dachte er. Und dieser Grujewitsch hatte ihm gezeigt, dass er unter Beobachtung stand. Er hatte Henri begrüßt, ohne ihm vorgestellt worden zu sein. Kein Versteckspiel, wahrlich nicht. Ein Test, was sonst?
    Nachdem sie getrunken hatten, Grujewitsch nur einen kleinen Schluck, sagte der Russe: »Wenn Sie Hilfe brauchen, egal was, wenden Sie sich an mich.« Er reichte ihm wie nebenbei eine Visitenkarte, die Henri unbesehen in die Tuchtasche seines Jacketts steckte.
    »Wir haben doch ein gemeinsames Interesse. Vielleicht können wir dafür etwas tun?«
    Henri zögerte mit der Antwort und überlegte, was der Mann gemeint haben konnte. Ein gemeinsames Interesse?
    »Wollen Sie keinen Frieden?« Grujewitsch lächelte, um der Frage die Schärfe zu nehmen.
    »Ich kenne keinen geistig gesunden Menschen, der für Krieg wäre«, sagte Henri.
    Grujewitsch musterte ihn und setzte wieder sein Lächeln auf. »Dann scheinen Menschen mit … sagen wir … Defiziten, geistigen Defiziten im Westen gute, wie sagt man, Karrierechancen zu haben.« Wieder das Lächeln.
    Henri lächelte zurück. »Ist mir nicht bekannt. Aber in Ländern, in denen die Politiker gewählt werden, gibt es manchmal Überraschungen. Doch sie dürfen die Rhetorik nicht mit den wahren Absichten verwechseln.«
    »Gewiss«, sagte Grujewitsch. »Aber man sollte das Kriegsgerede auch nicht überhören. Unsere Regierung macht sich Sorgen.«
    »Sie könnte ihren Beitrag leisten. Finden Sie nicht auch, dass Ihr Land beim Raketenrüsten überzieht? Wie viele SS – 20 haben Sie schon aufgestellt?«
    Grujewitsch lächelte. »Jede Atomrakete ist eine zu viel. Oder sehen Sie das anders?« Er sprach dieses perfekte Deutsch, das Russen sprechen, die intensiv und hart gelernt hatten, und das doch immer den Russen verrät. Henri fragte sich, welchen Dienstgrad Grujewitsch hatte. Mindestens Oberstleutnant, eher höher. Kurz streifte ihn der Gedanke, Grujewitsch danach zu fragen.
    »Seit wann sind Sie in Moskau?«
    Fast hätte Henri geantwortet, dass er das doch wisse. »Seit heute.«
    »Und dann gleich zu einem Empfang. Sie sind ein pflichtbewusster Mann.«
    »Meine Kollegen haben gesagt, hier könnte ich interessante Leute kennenlernen. Das ist für einen Pressereferenten wie mich also ein Pflichttermin.«
    Grujewitsch Augen wanderten durch den Raum, dann hob er die Hand und winkte. Als Henri schaute, wohin der andere gewinkt hatte, erkannte er eine junge Frau, lange blonde Haare, schlank und doch mit sehr weiblicher Figur, die Andeutung eines Dekolletés in einem dunkelroten Kleid, eine dünne, kaum sichtbare Silberkette mit einem dunkelblauen Stein um den Hals, sonst ohne jeden Schmuck, abgesehen von einer schlichten Armbanduhr. Dann stand sie vor ihm. Aus einem schönen Gesicht blickten ihn große blaue Augen an, erst fragend, dann lächelnd.
    »Darf ich Ihnen meine Mitarbeitern Irina Burschkaja vorstellen? Sie hilft mir im Haus der Presse. Wenn Sie Fragen haben oder einen Wunsch, gleich welcher Art, dann können Sie sich auch an Sie wenden.«
    Irina gab Henri die Hand und schien sie nicht gleich wegziehen zu wollen.
    »Gern«, sagte Henri. »Auf dieses freundliche Angebot werde ich bestimmt zurückkommen. Aber erst muss ich mich eingewöhnen.«
    »Natürlich«, sagte Grujewitsch. »Wenn wir Ihnen dabei behilflich sein können …«
    Henri nickte.
    »Eine bessere Stadtführerin als Irina finden Sie in Moskau nicht«, sagte Grujewitsch.
    Irina lächelte ihn einladend an.
    »Davon bin ich überzeugt. Und sie verfügt gewiss auch noch über weitere erstaunliche Fähigkeiten«, sagte Henri. Fähigkeiten, die sie wertvoll machten für das KGB . Ihn erstaunte, wie offen er herausgefordert wurde. Grujewitsch und seine schöne Begleiterin hätten sich das KGB – Emblem um den Hals hängen können, es wäre kaum

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