Das Moskau-Spiel
gemacht, und derjenige …«
»Ist gut«, sagte er. »Und irgendwo ganz oben sitzt einer, der weiß, warum Scheffer umgebracht und dieses Täuschungsmanöver veranstaltet wurde.«
Sie runzelte erst die Stirn, dann glättete sie sich.
»Und wie kriege ich heraus, wer es angezettelt hat? Und wie weise ich es ihm nach?«
»Das Erste ist unmöglich, das Zweite ist noch unmöglicher. Selbst wenn es Ihnen gelingen sollte, die unterenChargen zu befragen, die werden einen Teufel tun, Ihnen etwas Aufschlussreiches oder vielleicht überhaupt etwas zu sagen. Die werden nicht mehr sagen, als dass es ein Unfall war. Sie brauchen gar nicht erst anzufangen, die Sache zu untersuchen.«
»Ich muss aber. Und bei Ihnen hat es doch geklappt. Es gibt eine ehrliche Ärztin, warum soll es nicht einen ehrlichen Polizisten geben?«
»Es gibt eine verrückte Ärztin, aber keine verrückten Polizisten, ganz bestimmt nicht. Sie sind verlogen, gewalttätig, korrupt, vielleicht sogar mutig, aber ehrlich sind sie spätestens dann nicht, wenn so ein Vogel aus dem Westen angeflattert kommt und mit jeder Frage verrät, dass er den großartigen Behörden der großartigen Russischen Föderation nicht glaubt. Wären Sie Russe, dann säßen Sie nach ein paar Fragen im Knast. Die würden Ihnen irgendwas anhängen und Sie erst mal verschwinden lassen. Da hat sich nicht viel geändert gegenüber der Sowjetzeit. Heutzutage sind sie eher noch willkürlicher, früher haben sie sich bemüht, sich an die eigenen Gesetze zu halten, auch wenn die schlimm genug waren. Inzwischen sind die Gesetze besser, aber die Justiz macht, was sie soll, egal ob das im Gesetz steht oder nicht.«
Sie hatten währenddessen die Pelmeni aufgegessen, die Theo außerordentlich gut schmeckten. Dann tranken sie den Wodka aus, woraufhin Wladimir wie aus dem Nichts am Tisch auftauchte und einfach nachschenkte, was sie genauso selbstverständlich hinnahm. Sie ist oft hier, dachte Theo. Die Angst vor dem Alkohol war mit dem Trinken verflogen. Auf den ersten Blick passt sie hier nicht hinein, zu rau die Kneipe, zu zart die Frau. Doch war sie innerlich aus ganz anderem Holz geschnitzt, als ihr Äußeres verriet. Sie war zäh, standhaft, unbeugsam und mutig genug, sich in Teufels Küche zu bringen, also dorthin, wo sie gerade saßen. Wlads Kneipe war des Teufels Küche, solange sie dort das nachsowjetische Reichmit seinem brutalen Machtanspruch nach innen und nach außen sezierte, als wäre es eine angeschwemmte Kanalleiche auf dem Obduktionstisch. Wenn an der falschen Stelle herauskam, was sie tat, war sie fällig. Knast, vielleicht der Tod, der mit einer provozierenden Regelmäßigkeit Russen, vor allem Journalisten, ereilte, welche die Machtverhältnisse in Russland durchleuchteten und das Lügengespinst, das über ihnen ausgebreitet wurde. Theo gestand sich ein, dass er die Frau bewunderte. Sie war mutig und machte sich nichts daraus. Theo bewunderte Menschen sonst nicht. Er kannte Menschen, die von anderen bestaunt wurden wie Außerirdische, die sich in Wahrheit aber als Würmer entlarvten. Der Großvater zum Beispiel, dem viele das soldatische Heldendasein abgekauft hatten, der sich dann aber in den Tod gejammert hatte, was jedes Menschen Recht war, ausgenommen selbst ernannte Helden. Auch der Vater hatte zwar nicht den Helden markiert, doch hatte er sich verhalten wie einer, der besonders wichtig genommen werden wollte. Theo fiel erst jetzt auf, dass Henri diese Attitüde beim letzten Treffen nicht mehr gezeigt hatte. Er war verändert, geradezu zurückhaltend, nicht mehr der ewige Sieger in allen Disziplinen, der den Großvater zackig kopierte, ohne selbst auch nur zu spüren, dass er dieses Gehabe abgeschaut hatte.
»Und was sind Sie für einer? Polizist?« Die Frage klang so, dass sie diese Antwort eigentlich ausschloss. Ein Polizist verhielt sich nicht so. Allerdings, deutsche Polizisten mochten da anders ticken, das wusste sie nicht.
»So was Ähnliches, ich ermittle im Auftrag unseres Bundeskanzleramts …«
»Wichtig! Wichtig!«, lachte sie.
»Ach, überhaupt nicht. Ich bin ein kleiner Ermittler für … man nennt das Sonderaufgaben. Also wenn es irgendwo etwas gibt, das die Polizei nicht ermitteln kann, werde ich losgeschickt. Vor allem im Ausland.« Du bist ein Angeber.
»Wo waren Sie da schon? … Ach, ich will Sie nicht ausfragen.«
»Kein Problem. Zuletzt in Rom.« Warum hast du nicht Paris gesagt? Würde sie genauso beeindrucken, aber nichts verraten.
Ihre
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