Das Moskau-Spiel
Augen wurden schwärmerisch. »Nach Rom würde ich auch gerne mal reisen.«
Theo versuchte sich vorzustellen, wie es wäre, wenn sie gemeinsam dort hinführen. Er spürte, wie der Wodka ihn aufmunterte, mutiger machte. Es war doch nicht schlecht, zu trinken. Jedenfalls, wenn man es nicht täglich tat und nicht schon am Morgen. Dann zwang er sich, wieder seinem Auftrag zu folgen. Er musste sie an diesem Abend alles fragen, weil er nicht wusste, ob er sie wiedersehen würde. Hoffentlich vergesse ich nichts. Hoffentlich sehe ich sie wieder. Unbedingt. Sie erschien ihm jetzt traumhaft schön. Dass er das nicht sofort bemerkt hatte, dass er sich hatte ablenken lassen von einem Kittel und einer hässlichen Brille!
»Wer könnte mir weiterhelfen? Der Professor?«
»Wenn der Sie sieht, dann nimmt er Reißaus. Reine Zeitverschwendung.«
»Wie heißt er eigentlich?«
Eine dunkle Wolke zog über ihr Gesicht. Sie hatte doch gesagt, dass der Professor eine Flasche war. Theo tat es gleich leid. Er wollte sie nicht verärgern, ganz bestimmt nicht.
»Nehmen Sie das Foto und erklären Sie, es sei gefälscht. Behaupten Sie es einfach, schon bevor Ihre Experten es entlarven. Setzen Sie die Moskauer Staatsanwaltschaft damit unter Druck. Etwas in dieser Richtung. Ich bin keine Spezialistin für die juristischen Dinge, und bei Polizeiermittlungen habe ich eine klar umgrenzte Aufgabe. Aber ich glaube, wenn Sie mit dem Foto weitermachen, dann muss der Staatsanwalt herunter von seinem Sockel. Ich bin gespannt, was ihm dazu einfällt.«
Theo nickte. Sie hatte natürlich recht. Mit dem Foto hatten sie einen Fehler gemacht, und er würde sie auflaufen lassen. Nicht schlecht für einen, den manche für einen unreifen Streber hielten, viel zu unreif jedenfalls, um in Moskau wichtige Ermittlungen zu führen. Theo dachte an Scheffer, das arme Schwein, das es doch noch erwischt hatte, obwohl man glauben mochte, diese Zeiten seien vorüber.
Er nippte an seinem Wodka.
»Was überlegen Sie, wenn ich fragen darf?«
»Wie ich es machen soll mit dem Foto.«
»Da wird Ihnen gewiss etwas einfallen. Mysteriöser Mord in Moskau, gute Schlagzeile, oder?« Sie lachte wieder.
Theo linste zur Uhr, es war spät geworden, und fragte: »Ich darf Sie einladen?«
»Sie dürfen.« Wieder dieses Lächeln, das seine Knie weich werden ließ. Er fühlte sich ein bisschen schummerig und staunte, wie viel er vertrug. Trinken war wirklich nicht schlecht.
Er wollte sie nicht gehen lassen. Auf keinen Fall.
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Major Eblow schaute hinaus und wunderte sich. Im Hof der BRD – Botschaft stand wieder dieser Typ, der gerade erst eingereist war, und fütterte die Katze. Diesmal hatte er zwei Tassen in der Hand. Sie schicken wirklich seltsame Leute zu uns.
Der Leutnant stand neben dem Major und schüttelte den Kopf. Vielleicht überlegte er, ob dieses Theater vor ihren Kameras ein besonders raffiniertes Ablenkungsmanöver war, dem Klassenfeind musste man alles zutrauen. Aber dann setzte er sich wieder auf seinen Stuhl und rauchte seine Zigarette fertig, während der Major nicht genug kriegen konnte vom Anblick dieses Verrückten.
Dieser Martenthaler war mit größter Wahrscheinlichkeit der neue Resident. Vielleicht sollte er Gebold ablösen, was Eblow bedauern würde. Jeder andere würde mehr Arbeit und Ärger bereiten. Gebold war die Idealbesetzung. Gebe der Himmel, oder wer immer dafür zuständig war, ihm noch viele Jahre an diesem Ort! Da konnte selbst ein hartgesottener KGB – Offizier alles und jeden anrufen, um Gehör zu finden. Mehr als schiefgehen konnte es ja nicht.
Er blickte auf den Leutnant, der sich gerade eingehend mit seiner Zigarette beschäftigte. Auf dem Tisch stand ein halb voller Becher Tee, an der Wand lag der zweite Überwacher auf einer nackten Matratze und schnarchte vor sich hin, wobei er es verstand, abrupte Pausen zwischen den Röchlern einzulegen.
Zusammen mit der Wohnung auf der Vorderseite der Botschaft und den Genossen in Autos und weiteren konspirativen Wohnungen an der Straße überwachten meist mehr als dreißig Mitarbeiter die Botschaft. Da die Leute in den Botschaften es wussten oder wenigstens davon ausgingen, dass ihnen auf Schritt und Tritt jemand folgte, dass sie abgehört und heimlich gefilmt wurden, dass in den Wänden vieler Botschaftsräume Wanzen angebracht waren, brachte der Aufwand nicht die Ergebnisse, die fünf Mann erzielen konnten, wenn ihre Tätigkeit verborgen blieb.
Sie hatten Henri Martenthaler getestet.
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