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Das Moskau-Spiel

Das Moskau-Spiel

Titel: Das Moskau-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Irina hatte ihre Sache gut gemacht, sie war ihn aggressiv angegangen. Aber es hatte nicht geklappt. Daraus wollte Eblow erst einmal nichts ableiten, denn eine solche Verweigerung konnte Gründe haben, die nichts mit der Frage zu tun hatten, ob Martenthaler Agent war oder nicht. Ein Agent hätte Irina auch abgewiesen oder eben nicht. Wenn nicht, mochte dies der Irreführung dienen oder Blauäugigkeit beweisen. Was für einer dieser Katzenfütterer war, das mussten sie noch herausbekommen. Es war nur eine Frage der Zeit, meistens jedenfalls. WennMartenthaler Agent war, würde irgendwann das Katz-und-Maus-Spiel beginnen. Martenthaler unterwegs, und sie immer hinterher in der Hoffnung, dass der Typ sie nicht abschüttelte, obwohl sie ein Dutzend Mann zu Fuß und mehrere Fahrzeuge bei solchen Überwachungen einsetzten.
    Eblow war innerlich ganz ruhig. Wir kriegen dich, Henri, dachte er. In diesem Augenblick zweifelte er nicht, dass Martenthaler von der Konkurrenzfirma war und darauf wartete, endlich aktiv werden zu können. Aber so, wie Eblow die Lage sah, würde der gute Mann noch ein bisschen warten, sich akklimatisieren, nicht gleich auf sich aufmerksam machen, die Bewacher einlullen. Mal sehen, mein Freund. Wir haben bisher die meisten gekriegt, dich kriegen wir auch. Dann kribbelte es doch im Bauch des Majors. Irgendwie wanderte die Unruhe vom Bauch ins Hirn, wo sie die Möglichkeit entrollte, dass Henri Martenthaler vielleicht ein ganz Ausgebuffter war, der der Sowjetunion schaden würde. Woher dieses Gefühl kam, das wusste Eblow nicht, aber er wusste, dass er sich auf seine Intuition verlassen konnte. Er verließ den Beobachtungsposten grußlos und schlecht gelaunt. Es würde etwas Übles geschehen, das spürte er. Und bei ihm waren Spüren und Wissen eins.
    WENN SIE INTERESSIERT SIND , WARTEN SIE AM EINGANG DER GUM , DAS DEM LENIN - MAUSO LEUM AM NÄCHSTEN LIEGT . MORGEN 15 UHR .
    Henri konnte den Zettel schon auswendig. Er fluchte. Vom Himmel Sturzfluten. Über Nacht war der Frost verschwunden, und statt seiner herrschten nun Wasser und Matsch. Die Moskauer zogen ihre Gummistiefel an, die für sie so überlebensnotwendig waren wie warme Unterwäsche. Der Himmel war schwarz und grau gefleckt und lastete auf der Stadt wie die Androhung der Sintflut. So ungefähr würde es beim Weltuntergang aussehen,dachte Henri. Er hatte hohe Lederstiefel angezogen, die Hosenbeine aber nicht hineingesteckt, und so waren sie schon nass, bevor er im Auto saß. Er blickte auf die Uhr, es war kurz vor zwölf. Er fuhr los, schaute in den Rückspiegel und sah gleich, dass ihm ein weißer Lada folgte. Drinnen saßen zwei Männer. Den Wagen hatte er schon bemerkt, als er am Morgen zur Botschaft gekommen war. Sie hatten auf der anderen Straßenseite gewartet, schräg gegenüber dem Eingang zum Botschaftsgebäude. Da sie sich so auffällig benahmen, wusste Henri, dass sie von der eigentlichen Verfolgung nur ablenken sollten. Immer wieder blickte er in den Rückspiegel des Mercedes, immer wieder hatte er andere Autos im Verdacht, ihm zu folgen, doch sie bogen ab oder hielten an, andere fuhren an ihrer Stelle, und Henri konnte nicht erkennen, welcher Wagen für die Konkurrenzfirma fuhr und welcher nicht. Der weiße Lada aber blieb stur hinter ihm, ließ kaum mal einen Wagen dazwischen, und, so glaubte Henri, an diesen Lada hängten sich immer wieder andere, um den Botschaftswagen nicht zu verlieren. Henri war aber sicher, dass der Lada irgendwann verschwinden würde, um ihm vorzutäuschen, er würde nicht mehr beschattet.
    Er hatte von vornherein gewusst, dass sie ihm auf den Zahn fühlen würden. Und doch beunruhigte es ihn. Immerhin, fiel ihm ein, lenkte es ein wenig ab von seiner Furcht, Auto zu fahren, die ihn jederzeit anzufallen drohte. Die nächste Panikattacke kam bestimmt, in der er sich den übelsten Unfall farbig ausmalte.
    Aber dafür hatte er jetzt einfach keine Zeit. Das KGB war die beste Therapie. Sein Hirn arbeitete schnell. Wenn er jetzt auf die klassische Schüttelstrecke ging, dann ahnten die Herren in den Ladas und Wolgas, dass er vom Fach war. Wie hält man sich Verfolger vom Leib, ohne zu verraten, dass man es gelernt hatte? Wie verschwand man in einer Stadt, die man nicht kannte? In der Nacht hatten ihm diese Gedanken schon zugesetzt.
    Aber jetzt wurde er richtig nervös. Einfach an einer roten Ampel wegstieben? Ein Versuch wäre es wert, wenn er nicht sicher wäre, dass sie ihn auch von vorn verfolgten. Dass vor ihm

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