Das Moskau-Spiel
gelesen, und einen Augenblick besänftigte es ihn etwas, dass es ihm gelungen war, diesen interessanten Begriff zu verwenden. Aber dann brach die Urgewalt seines Zorns wieder durch. »Sie meinen, Sie hätten bei der Verfolgung nass werden können?«
Schlumejew war noch bleicher geworden, als er es ohnehin war. »Nein, Genosse Major.«
»Aha, und was soll der Regen angestellt haben, das Sie von einem wichtigen, ja entscheidenden Auftrag abgebracht hat?«
Schlumejew legte sich die Antwort erst zurecht. Er wollte die Genossen nicht in die Pfanne hauen, aber auch selbst heil aus der Sache herauskommen. »Wir haben nichts mehr gesehen, und dann war er plötzlich weg, wie im Wasser verschwunden. Wir haben überall gesucht. Er ist in eine Gaststätte hinein- und durch den Hinterausgang wieder hinausgerannt. Der Wirt hat es uns gesagt. Er konnte den Spion genau beschreiben. Damit hat er sich immerhin verraten.«
Eblow knurrte. Dass dieser Typ gleich loslegte, damit hatte Eblow nicht gerechnet, was er aber natürlich nie zugeben würde. Er hatte es doch gerochen, dass der Katzenfütterer ein Spion war. Wieder einer, einer von vielen. Und fast alle kriegten sie. Den auch. Schlumejew hatte recht, wer durch den Hinterausgang einer Gaststätte verschwand, der wusste, dass er überwacht wurde, und wollte sich dem entziehen, um etwas anzustellen.Ein Presseattaché spielt nicht den wilden Mann. Aber was tut er? Warum hat die heimliche Fahndung, in die auch die Miliz eingeschaltet worden war, nichts ergeben? Martenthaler war wie vom Erdboden verschluckt. Der war eine andere Preislage als diese Witzausgabe eines Spions namens Gebold.
Eblow schaute kurz auf Schlumejew, der immer noch stramm stand und kaum zu atmen wagte.
Warum wird der Katzenfütterer gleich aktiv? Hat er einen Agenten übernommen von einem anderen? Von Gebold? Eblow musste lächeln, was Schlumejew mit einem leisen Schnaufen quittierte. Gebold würde in seinem ganzen Leben keinen Agenten auftun. Was Martenthaler veranstaltete, hatte einen anderen Grund. Bisher hatten sie ihn rund um die Uhr überwacht. Er hatte Irina auflaufen lassen. Er hatte Rachmanow nicht abgewiesen, sich aber auf nichts eingelassen, jedenfalls nichts, das ihnen etwas gebracht hätte. Aber jetzt hatte er eine Hintertür benutzt. Das war ein Fehler. Es gab ihnen keine rechtliche Handhabe gegen den Mann, aber eine Gewissheit. In ihrem Gewerbe war das ziemlich viel.
Schlumejew unterdrückte einen Husten, er keuchte gedämpft, als würde er gleich ersticken. Sein Gesicht lief nun rosa an, und auf der Stirn perlte Schweiß.
Eigentlich gar nicht schlecht, dachte Eblow. Immerhin wissen wir jetzt einiges. Wir haben es erstens mit einem Profi zu tun, jedenfalls war der Typ schlau genug, um in einer fremden Stadt unterzutauchen. Zweitens hat er es eilig. Drittens geht es um etwas Wichtiges, sonst hätte er nicht gleich losgelegt. Immerhin. Warum fiel ihm jetzt Ludmilla ein, die er vor dreieinhalb Mo naten im Taganka-Theater kennengelernt hatte, wo der Zufall sie neben ihn setzte und sie sich in der Pause und nach dem letzten Vorhang über Puschkins Boris Godu now so lange stritten, bis sich Eblow traute, sie zu fra gen, ob man den Streit bei einem Wodka in gemütlicherer Umgebung fortsetzen könne. Erstaunlicherweise hatte sie sofort zugestimmt. Eblow hielt sich für einen fähigen Offizier im Nachrichtendienst, aber nicht für einen Mann, dem die Frauen nachliefen. Ludmilla war nicht so schön wie Irina, aber sie zog ihn an mit ihren Fältchen an Augen- und Mundwinkeln, mit ihrer hohen Stirn, die sie krausen konnte wie keine andere, mit ihrer offenen Art, wie sie ihm die Meinung geigte, dass ihm Hören und Sehen vergingen, ohne dass jemals ein böses Gefühl entstand. Sie war einzigartig, und sie hatte Spaß am Sex. Ludmilla fiel ihm im Dienst ein, wenn die Anspannung wich, seit einiger Zeit war es so. Dann erinnerte er sich an eine Szene oder an etwas, das sie gesagt hatte. Heute kam ihm ihr Lachen in den Sinn, als sie ihn am Morgen nach einer Nacht ohne viel Schlaf verabschiedet hatte. Dieses Lachen war wie eine Liebeserklärung gewesen von Ludmilla, die gleich nach ihm die Wohnung verlassen musste, um zur Bibliothek der Lomonossow-Universität auf den Leninbergen zu fahren, wo sie die Abteilung für Wirtschaftsgeschichte des Kapitalismus leitete.
»Sie wissen, dass die Partei höchste Aufmerksamkeit von uns fordert. Und Sie wissen, dass der Feind nur auf den Augenblick wartet, uns zu vernichten.
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