Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
eisige Stille, dann reagierte der Russe. »Ich verstehe nicht, worauf Sie hinauswollen, Mr. President.«
»Reden wir nicht länger um den heißen Brei herum, ja?«, sagte Castilla energisch. Er zwinkerte Klein zu. »Ich habe Ihre Mobilmachungs- und Einsatzpläne samt Ziellisten gesehen, verdammt nochmal. Ich habe sogar Tonbänder gehört, auf denen Sie über diese Pläne sprechen. Und ukrainische Polizeieinheiten und Bombenräumtrupps haben den Sprengstoff gefunden, den Ihre Agenten in Poltawa installiert haben, weil Sie uns ›anti-russischen Terrorismus‹ vorspielen wollten.«
»Ich weiß nicht, von wem Sie Ihre monströsen Anschuldigungen haben«, erwiderte Dudarew steif.
Castilla beugte sich auf seinem Stuhl vor. »Das kann ich Ihnen sagen, Viktor. Von Ihrem guten Freund Konstantin Malkowitsch.«
»Malkowitsch ist ein Kapitalist und Spekulant, der in meinem Land Geschäfte macht«, blaffte Dudarew. »Mehr weiß ich nicht über ihn.«
Castilla zuckte die Achseln. »Diese Lüge kaufe ich Ihnen nicht ab, Viktor. Ich rate Ihnen, sich eine andere Geschichte auszudenken, und zwar schnell.« Er schaute aus dem Fenster und erhaschte einen flüchtigen Blick auf die blinkenden rot-grünen Navigationslichter seiner Begleitjäger. »Lassen Sie uns lieber darüber reden, dass Sie die cirka 300 000 Soldaten, die Sie nahe der Ukraine, Georgiens, Kasachstans, Armeniens und Aserbaidschans stationiert haben, zurückpfeifen und wieder in ihre normalen Quartiere schicken werden … und zwar umgehend.«
»Kann ich offen sprechen, Mr. President?«, fragte Dudarew grimmig.
»Aber selbstverständlich«, erwiderte Castilla und grinste quer durch die Kabine Klein an. »Ich höre gern offene Worte. Insbesondere wenn sie ausnahmsweise einmal von Ihnen kommen.«
»Wenn ich wirklich so viele Panzer, Soldaten und Flugzeuge einsatzbereit hätte, warum sollte ich dann meine Pläne einfach aufgeben? Nur weil Sie es mir sagen?«
»Aber nicht doch, Viktor«, erwiderte der Präsident gelassen. »Ich bezweifle nur, dass Sie auch bereit sind für einen ausgewachsenen Konflikt mit den Vereinigten Staaten – und der NATO. Sie haben eher an einen Blitzangriff auf schwache und schlecht organisierte lokale Streitkräfte gedacht, nicht an eine harte Auseinandersetzung mit der mächtigsten Allianz der Geschichte.«
»Aber Sie haben keine Verteidigungsabkommen mit der Ukraine, Georgien oder den anderen«, betonte Dudarew bissig. »Und auch keine Truppen, die in diesen Gebieten stationiert wären. Irgendwie
glaube ich nicht, dass die Vereinigten Staaten – oder ihre Alliierten – so deutlich gegen uns Stellung beziehen würden. Niemand in London, Berlin, Paris oder New York wird einen Krieg mit Russland riskieren, nur um ein paar halbnackte Aserbaidschaner zu retten!«
»Mag sein«, gab Castilla zu. Er setzte sich gerader hin. »Aber ganz anders sieht es aus, wenn Sie mit Ihren Attacken Amerikaner gefährden, insbesondere politische Führer, die allseits bekannt und geachtet sind.« Er machte eine bescheidene Pause. »Wie mich zum Beispiel.«
»Was?«, wollte der russische Führer wissen. »Wovon reden Sie eigentlich?«
Castilla blickte auf die Uhr. Das Geräusch der vier großen Flugzeugmotoren draußen veränderte sich, als der Jet zum Sinkflug ansetzte. »Ich denke, Sie sollten wissen, dass ich in spätestens 45 Minuten in Kiew landen werde. Und dass ich vorhabe, einige Tage in der Ukraine zu bleiben. Ich habe mit den neuen Führern viele Geschäfte auszuhandeln, insbesondere ein gegenseitiges Verteidigungsbündnis.«
»Unmöglich.«
»Ganz und gar nicht«, sagte Castilla gedehnt. Seine Stimme wurde härter. »Die Ukraine ist ein unabhängiges Land. Anscheinend haben Sie diese Kleinigkeit vergessen, Viktor.«
Dudarew blieb stumm.
»Dasselbe gilt für alle anderen ehemaligen Sowjetrepubliken«, fuhr Castilla fort. »Deswegen werden einige hohe Beamte der USA, der NATO und Japans, auch mein Außen- und mein Verteidigungsminister, diesen Ländern in den nächsten Tagen Besuche abstatten. Und falls auch nur ein einziger russischer Bomber, Panzer oder Fußsoldat die Grenze überschreitet, kann ich Ihnen garantieren, dass Sie Ihr Land am Ende in einen Krieg ziehen werden, den es sich nicht leisten kann – und den es mit ziemlicher Sicherheit verlieren wird.«
»Das ist eine Beleidigung«, schnauzte der russische Regierungschef.
»Im Gegenteil«, versetzte Castilla kühl. »Ich habe erstaunlich viel Geduld aufgebracht. Aber ich kann
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