Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
es … nun ja … Probleme in einigen Analyseabteilungen«, erklärte Wexler zögerlich. »Ich kenne selbst noch nicht alle Einzelheiten, aber man hat mir gesagt, dass einige unserer besten Russlandspezialisten in den letzten Wochen ernstlich erkrankt sind.«
Castilla starrte ihn einige Sekunden lang an. »Sie sollten mir besser alles sagen, Bill«, knurrte er. »Von Anfang an, und zwar jetzt.«
Moskau
Es war mittlerweile taghell. Die blassen Strahlen der kraftlosen Wintersonne brachen sich im Eis der Moskwa und spiegelten sich blinkend in den Frontscheiben der Autos und Lastwagen, die sich in beide Richtungen auf den Brücken stauten. Aus den Fenstern im vierundzwanzigsten Stock des Kotelnitscheskaja-Hochhauses hatte man einen guten Blick auf den Fluss und das laute Gehupe der Autos war selbst dort oben noch schwach zu hören. Die morgendliche Stoßzeit in der russischen Hauptstadt war auf ihrem Höhepunkt.
Der blonde Mann saß an seinem Schreibtisch und überflog ein weiteres Mal die stark verschlüsselten E-Mails, die seinen Computer in den letzten Stunden erreicht hatten. Die meisten waren sehr kurz und enthielten nur einen Namen mit Titel, einen Ort und einen einzeiligen Zustandsbericht:
MARTSCHUK, A., CINC, NÖRDLICHES KOMMANDO,
UKRAINE – INFIZIERT. ZUSTAND: ENDSTADIUM.
BRIGHTMAN, H., SIGINT-SPEZIALIST, GCHQ,
CHELTENHAM, VEREINIGTES KÖNIGREICH –
INFIZIERT. ZUSTAND: TOT
JASCHWILI, M., PRÄSIDENT; GEORGISCHE REPUBLIK –
INFIZIERT. ZUSTAND: ENDSTADIUM.
SUNDQUIST, P., LEITENDER POLITISCHER ANALYTIKER,
CIA, LANGLEY, USA. – ZUSTAND: TOT
HAMILTON; J., MANAGER, A2 (RUSSISCHE ABTEILUNG),
NSA, FORT MEADE, USA. – INFIZIERT. ZUSTAND:
ENDSTADIUM.
Die Liste der Kranken, Sterbenden und bereits Toten wurde immer länger, insgesamt zählte sie mehr als 30 Männer und Frauen auf. Mit wachsender Zufriedenheit las der Mann sie bis zum Ende durch. Es hatte jahrelanger akribischer Forschung bedurft, die biologische Waffe namens HYDRA zu perfektionieren – ein präzis steuerbares, unwiderruflich tödliches, lautloses Mordwerkzeug. In der Vorbereitungsphase waren Monate dafür geopfert worden, geeignete Ziele für die ersten HYDRA-Varianten zu suchen und Wege zu finden, die auserwählten Opfer unbemerkt damit zu infizieren. Weitere Monate waren dafür gebraucht worden, heimlich das Material zu beschaffen, das für jede spezielle Variante der Waffe nötig war. Endlich trugen die sorgsame Planung und die gefährliche Arbeit nun Früchte.
Im Nachhinein, dachte der Mann leidenschaftslos, hatten sich
die vorbereitenden Tests in Moskau als weitgehend unnötig erwiesen, als Verschwendung von Mitteln und Gefährdung der operativen Sicherheit, doch HYDRAs Schöpfer hatte auf ihrer Durchführung bestanden. Kontrollierte Experimente in den sterilen Räumen eines Labors seien kein Ersatz für Feldversuche an echten Menschen, hatte er gesagt. Nur indem sie HYDRA auf zufällig ausgewählte Opfer ansetzten, könnten sie sichergehen, dass andere Ärzte und Krankenhäuser, die nicht eingeweiht waren, nicht imstande sein würden, seine Schöpfung zu entdecken oder die damit Infizierten zu heilen.
Der Mann mit dem Codenamen Moskau-Eins schüttelte den Kopf. Wulf Renke war brillant und rücksichtslos und hatte unnachgiebig darauf bestanden, seinen Kopf durchzusetzen – wie immer. Am Ende hatten sich diejenigen, die das HYDRA-Projekt finanzierten, seinem Willen gebeugt, auch weil sie selbst gern sehen wollten, ob die Wirkungsweise der Waffe den vollmundigen Versprechungen entsprach. Das Experiment war erfolgreich gewesen, doch zu dem Preis, dass die Doktoren Kirianow und Petrenko aufmerksam wurden und besorgt überliefen, um den Westen zu warnen.
Dann zuckte er die Achseln. Was machte das schon? Kirianow und Petrenko waren tot. Und der einzige Mann aus dem Westen, der ihr Geheimnis kannte, würde ihr Schicksal bald teilen.
Er griff zum Telefon und wählte eine Moskauer Nummer.
Schon beim ersten Klingeln wurde abgenommen und eine kalte, klare Stimme fragte: »Und?«
»Die erste Phase ist nahezu abgeschlossen«, sagte der blonde Mann leise.
»Haben Sie Iwanow informiert?«
»Ich habe ihm letzte Nacht einen vorläufigen Bericht erstattet«, antwortete der Blonde. »Ehe er abfuhr, um Dudarew bei den WINTERKRONE-Manövern zu treffen. Sobald er nach Moskau zurückkehrt, werde ich ihn detaillierter informieren.«
»Ich gehe davon aus, dass unser Freund aus der 13. Abteilung sehr erfreut war?«, sagte die Stimme
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