Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
seiner knallroten Skijacke gerade so weit auf, dass Jon den Griff der Pistole in seinem Schulterhalfter sehen konnte, und blinzelte ihm übertrieben zu. »Und auf meinen kleinen Freund ebenso.«
Smith unterdrückte ein besorgtes Stirnrunzeln. Der Leiter des Covert-One hatte ihn vorgewarnt, nicht zu viel zu erwarten. »Es gibt nur einen Mann, den ich dir schnell genug schicken kann, Jon«, hatte er ihm erklärt. »Er dient als Kurier, nicht als Feldagent, aber meistens ist er zuverlässig.«
Smith nahm sich vor, Kleins Akte über Masek zu ergänzen. Der bärtige Hüne erschien ihm zu draufgängerisch und viel zu erpicht, seine versteckte Waffe zur Schau zu stellen. Das konnte Ärger bringen. Es zeigte entweder, dass der Tscheche große Angst hatte und den Mund so voll nahm, um seine Nervosität zu verbergen – oder dass er zu aggressiv war und darauf brannte, sich für schwierigere und lohnendere Aufträge zu empfehlen.
Während der Taxifahrer durch die verwinkelten Straßen der Altstadt fuhr, über die Moldau und östlich der Prager Burg – einem jahrhundertealten monumentalen Komplex aus Kirchen, Klöstern, Türmen und Regierungsgebäuden – die gewundene Hügelstraße hinauf, sagte Smith kein Wort. Der Fahrer dagegen redete ununterbrochen, deutete auf Touristenattraktionen, fluchte wüst über andere Verkehrsteilnehmer und versicherte ihm wiederholt, dass sie gut vorankämen.
Es mussten die Nerven sein, entschied Smith. Trotz seiner Größe und seiner Prahlerei war Masek innerlich klein und furchtsam. Als Geheimkurier mochte der Tscheche sich ganz gut machen,
doch Klein hätte niemals von ihm verlangen sollen, sich so weit aus dem sicheren Schatten zu wagen. Sei fair, Jon, wandte sein Verstand kühl ein. Dieser Bursche weiß sicher, dass ein Killerkommando bereits einen Mordanschlag auf dich verübt hat und es vielleicht noch einmal versucht.
Smith seufzte. Verflixt, er war selbst ziemlich nervös. Er sah aus dem Fenster, um die Ruhe der sorgsam gestutzten Gärten beiderseits auf sich einwirken zu lassen. Das Dach des Belvedere, eines wunderschönen Sommerschlosses aus der Renaissance, ragte, in blaugrünes Kupfer gekleidet, aus den Bäumen empor.
Kurz nachdem sie gleich nördlich der Burg wieder hügelabwärts gefahren waren, drehte der Skoda eine Dreiviertelrunde in einem belebten Kreisverkehr und bog auf eine Prachtstraße Richtung Westen ein. Smith setzte sich gerader hin. Sie befanden sich auf der Evropská, einer modernen Durchgangsstraße, die direkt zum Flughafen führte. Auf der linken Seite konnte er einen breiten Flickenteppich aus Vorstadthäusern, Schulen und kleinen Industrieanlagen sehen. Rechts, hinter weiteren Reihen von Häusern und Geschäften, erhob sich eine steile Hügelkette mit drei Gipfeln, die von Nadelbäumen, Eichen und Buchen gekrönt waren. Diese bewaldete Hügellandschaft setzte sich nach Nordosten fort bis an die Ufer der Moldau.
Masek gab Gas und fuhr schneller als erlaubt. Die Verkehrsschilder, unter denen sie durchrauschten, zeigten an, dass der Flughafen nur noch wenige Kilometer entfernt war.
Bald konnte Jon durch die nackten Zweige der Bäume an der nördlichen Seite der Straße flüchtige Blicke auf einen schmalen künstlichen See werfen. Jenseits dieses Sees fiel das Land in ein schroffes, zerklüftetes Gebiet mit dunklen Wäldern und grauen Kalkfelsen ab.
»Das ist die Divoká a Ticha Sárka , das Tal der Wilden und Stillen Sarka, ein legendäres Schlachtfeld«, erklärte der Taxifahrer großspurig, indem er mit dem massigen Kopf auf die schattige
Schlucht deutete, die jenseits der graugrünen Wasserfläche zu sehen war. »Früher, in grauer Vorzeit, sollen Männer und Frauen sich dort einen grausamen und blutigen Krieg geliefert haben. Es ging um die absolute Macht und Vorherrschaft. Der Legende nach hat ein wunderschönes junges Mädchen namens Sarka den wichtigsten Krieger der Männer in jenen Wald gelockt. Dort hat sie sich ihm hingegeben, ihm ein starkes Gebräu kredenzt und ihn dann im Schlaf ermordet.«
Smith grinste. »Hört sich nicht gerade nach einer freundlichen Gegend an.«
Masek zuckte die breiten Schultern. »Also, heute ist es eigentlich ein Naturpark. Im Sommer, wenn es heiß ist, gehen viele Prager zum Schwimmen und Campen dorthin. Wir Tschechen sind nicht nur romantisch, sondern auch sehr praktisch veranlagt.«
Plötzlich leuchteten rote Bremslichter auf und die Autos vor ihnen begannen langsamer zu werden. Eine Reihe orangefarbener Kegel
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