Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
auf die Jagd schicken«, antwortete Randi. Mit einem knappen, amüsierten Grinsen entblößte sie die Zähne. »Auf die Wolfsjagd.«
Kaye seufzte. »Und wo wollen Sie mit dieser Jagd anfangen? In Syrien? Tief im Hindukusch? Oder vielleicht irgendwo in Timbuktu?«
»Nein, Sir«, widersprach sie ruhig. »Ich denke, es ist an der Zeit, wieder ganz am Anfang anzufangen.«
Kapitel dreizehn
Moskau
Trotz der bitteren Kälte draußen war die Irische Bar im zweiten Stock des Hotel Budapest überfüllt. In Zweierreihen standen die Menschen vor dem polierten Kirschholztresen und signalisierten dem geschäftigen Barmann im weißen Jackett, dass sie noch ein Bier oder ein Glas Wein oder Whiskey wünschten. Im Rest des Raumes waren lächelnde Kellnerinnen mit Tabletts voller Getränke unterwegs. Die lebhafte Unterhaltung an den kleineren Tischen und in den plüschigen Sitzecken sorgte für eine konstante Geräuschkulisse, die, wann immer irgendjemand einen besonders lustigen Witz erzählte, von stürmischen Lachsalven durchbrochen wurde.
Jon Smith saß ganz allein in einer ruhigeren Nische und widmete sich stumm seinem Baltika-Bier. Während er den lauten, gutgelaunten Wortfetzen in Russisch, Englisch, Französisch und Deutsch lauschte, fühlte er sich seltsam weit weg von den anderen Gästen, beinah als wäre er viele Meilen entfernt. Er trug ein gezwungenes höfliches Lächeln zur Schau, doch unterschwellig fühlte es sich so an, als könnte es jäh in tausend Stücke zerspringen. Da begriff er plötzlich, dass seine Nerven bis zum Zerreißen gespannt waren.
In jedem Stadium der Reise – auf dem Flug von Berlin, während der Zollkontrolle in Scheremetewo-2, der Taxifahrt durch die Stadt und sogar beim Registrieren an der Rezeption – hatte er sich innerlich darauf gefasst gemacht, eine drohend erhobene offizielle
Augenbraue zu sehen oder die schwere Hand eines Polizisten auf der Schulter zu spüren. Doch es hatte keine Schwierigkeiten gegeben. Stattdessen war ihm mit stummer, gleichgültiger Höflichkeit der Pass ausgehändigt und später im Hotel das Zimmer gezeigt worden. Auf den Straßen schien es mehr uniformierte Polizei zu geben, als bei seinem letzten Moskaubesuch nach dem Ende des Kalten Krieges, doch sonst gab es keine besonderen Anzeichen dafür, dass sich in der Hauptstadt der russischen Föderation womöglich Ärger zusammenbraute.
Smith zwang sich, noch einen Schluck Bier zu trinken und sah verstohlen auf seine neue Uhr. Es war lange nach halb acht, fast schon acht Uhr abends. Die Kontaktperson des Covert-One kam zu spät. War irgendetwas dazwischengekommen? Fred Klein war anscheinend davon überzeugt, dass sein in Moskau stationiertes Team immer noch unbemerkt vom Radar der russischen Geheimdienste operierte, doch was, wenn er sich täuschte? Einen Augenblick lang erwog Smith zu gehen. Vielleicht sollte er sich davonstehlen und einen geschützten Ort suchen, von dem aus er einen abhörsicheren Anruf nach Washington, D. C., tätigen konnte, um zu berichten, dass das Treffen gescheitert war.
Als Jon von seinem Bier aufschaute, fiel sein Blick auf eine schlanke, attraktive Frau mit schulterlangen, dunklen Locken und strahlenden Augen, die im gedämpften Licht der Bar mehr grün als blau wirkten. Sie war ihm schon eher aufgefallen, als sie, mit einem funkelnden Glas Weißwein in der Hand, angeregt mit ihren Bewunderern geplaudert hatte, die lächelnd im Kreis um sie herumstanden. Doch nun bewegte sie sich langsam, aber zielstrebig in seine Richtung, auch wenn sie gelegentlich stehenblieb, um mit einem Lächeln, einem leichten Kuss auf die Wange oder ein paar leisen freundlichen Worten weitere Männer zu begrüßen. Die Frau trug ein auffallendes, ärmelloses, mitternachtsblaues Kleid, das sich eng an ihre weichen Rundungen schmiegte. Über ihrem Arm lag ein eleganter, mit Pelz abgesetzter Mantel.
Wahrscheinlich eine Professionelle, dachte Jon leidenschaftslos, und sah absichtlich weg, ehe die Frau Blickkontakt herstellen konnte. Er wollte keine unerwünschte Aufmerksamkeit erregen. Die besten Hostessen aller Begleitagenturen frequentierten stets die Bars und Restaurants, die mit der größten Dichte an wohlhabenden ausländischen Geschäftsleuten aufwarten konnten. Ihm waren auch einige andere junge Frauen aufgefallen, alle zugegebenermaßen wunderschön, die schon mit bierbäuchigen deutschen, britischen oder amerikanischen Führungskräften zu einem, wie er annahm, diskreten Stelldichein oben in den
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