Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
saß erschöpft am Kopfende eines großen Tisches tief im Innern der befestigten amerikanischen Botschaft in der grünen Zone von Bagdad. Sie kämpfte gegen den jähen Drang, sich die müden Augen zu reiben. Eine abhörsichere Videokonferenz via Satellit mit den obersten Bossen in Langley war nicht der geeignete Moment, um gewöhnliche menschliche Schwächen zu zeigen. Phil Andriessen, der Chef des Agenturbüros in Bagdad, hockte lässig auf dem unbequemen Stuhl neben ihr. Beide schauten auf eine Video-Projektionswand. Sie zeigte ihnen eine Reihe von ernsten Männern in Geschäftsanzügen, gestärkten Oberhemden und sorgfältig gebundenen Krawatten, die an einem ähnlichen Tisch im Konferenzzimmer im siebten Stock der CIA-Zentrale in Langley, Virginia, Platz genommen hatten.
Eines der Wunder der modernen Technologie, dachte Randi zynisch. Wir empfangen Signale von einem Satelliten, der hoch über der Erde kreist, und überbrücken mit erstaunlicher Leichtigkeit eine Entfernung von tausenden von Meilen und einen Zeitunterschied von mehreren Stunden – und all das nur, damit wir noch eine dieser endlose Sitzungen abhalten können, die zu keinem Ergebnis führen.
Bei den Konferenzteilnehmern in Virginia beugte Nicholas Kaye, der Direktor der CIA, sich langsam auf seinem Stuhl vor. Er war bereits über sechzig und so korpulent, dass er fast ein Doppelkinn hatte. Vor Jahrzehnten hatte er kurz für »die Firma« gearbeitet,
sich dann aber in die ruhigeren Gewässer der akademischen Welt und der hervorragend zahlenden Denkfabriken rund um Washington zurückgezogen. Er war eigentlich nur als vorübergehender Ersatz für David Hanson eingestellt worden, seinen überaggressiven, skandalgeplagten Vorgänger, und das Benehmen des neuen Direktors erschien manchmal ebenso schwerfällig und unerklärlich wie sein Entscheidungsfindungsprozess. »Man sagt, dieser ehemalige irakische Mukhabarat-Offizier, den Sie gefangen haben, General Hussein al-Douri, weigert sich immer noch, mit uns zu kooperieren?«
Andriessen nickte müde. »Das ist korrekt, Sir. Bislang hat er unser Befragungsteam recht erfolgreich auflaufen lassen.«
Einer der Männer in Langley, der stellvertretende Direktor der Operativen Aufklärung, mischte sich ein. »Augenblicklich sind wir alle wohl eher an den Unterlagen der 8. Abteilung interessiert, die Sie bei al-Douri gefunden haben. Ihren ersten Berichten ist zu entnehmen, dass sie eventuell wichtige Hinweise auf ein streng geheimes biologisches Waffenprogramm enthalten. Eins, das wir bisher noch nicht kannten. Sind Sie immer noch dieser Ansicht?«
»Ja, Sir, so ist es«, sagte Andriessen. Er deutete auf Randi. »Ms. Russell hier kann Ihnen genauer sagen, was wir in Erfahrung gebracht haben. Da ihr Spezialteam al-Douri gefangen hat, ist sie auch verantwortlich für die Auswertung der Informationen, die wir in seinem geheimen Unterschlupf gefunden haben.«
Der Leiter des Büros in Bagdad beugte sich zu Randi hinüber und flüsterte ihr sotto voce eine Warnung ins Ohr. »Jetzt die Nerven behalten, Randi. Verärgere diese Kerle nicht – nicht, wenn du die Erlaubnis bekommen willst, so weit außerhalb unseres üblichen Reviers zu jagen.«
Sie nickte knapp. »Keine Sorge, Phil. Ich bin ein liebes kleines Mädchen.«
Andriessen grinste sie an. »Sicher, und die Erde ist eine Scheibe.« Er knipste ihr Mikro an. »Also los.«
»Es ist uns gelungen, fast jede Datei auf der Festplatte seines Computers zu entschlüsseln und zu lesen«, berichtete Randi den führenden Managern der Firma am anderen Ende der Welt. »Natürlich haben wir das Material, das Aufschluss über die alltäglichen Anschläge liefern kann, bereits an das III. Corps und die Spezialeinheiten der Iraker weitergeleitet. Und dieses eine Mal waren unsere Freunde in Uniform sogar dankbar.«
Das brachte ihr anerkennendes Kopfnicken und erfreutes Lächeln ein. Al-Douri war viel mehr gewesen als nur ein hochrangiger Freund Saddam Husseins auf der Flucht. Er hatte auch eine besonders brutale und erfolgreiche sunnitische Aufständischengruppe kommandiert, die hinter mehreren Dutzend Autobomben, Morden und Anschlägen steckte. Zusammengenommen sollten die Auflistungen von Namen, Polizeispitzeln, Telefonnummern und Waffenlagern, die man auf seinem Computer gefunden hatte, das amerikanische Militär und seine irakischen Verbündeten in die Lage versetzen, seine terroristische Organisation zu zerschlagen.
»Die Dateien, die uns besonders interessiert
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