Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
auslegt.«
Smith dachte nach. Wenn das Klinikum sich als Sackgasse erwies, musste er die Sache von einer anderen Seite aufzäumen. Nach dem, was Petrenko erzählt hatte, sah es so aus, als wäre der Befehl des Kreml, nicht über die seltsamen Todesfälle zu sprechen, erst später gekommen – nachdem die kleine Epidemie ihr tödliches Ende gefunden hatte. Davor hatten die Ärzte des Klinikums alles in ihrer Macht Stehende unternommen, um die Krankheit zu diagnostizieren und ihre Patienten zu heilen. Obwohl der Russe es nicht explizit erwähnt hatte, hätte Jon darauf gewettet, dass Petrenko und seine Kollegen die gewonnenen Erkenntnisse mit anderen Medizinern geteilt hatten. Zumindest bis der Kreml das Schweigegebot verhängte. Eines der obersten Prinzipien für alle, die eine unbekannte Krankheit bekämpften, war, die Informationen auf ein breites Spektrum von Experten zu verteilen, sodass sie alle ihre Laborzeit dafür einsetzen konnten, das tödliche Rätsel zu lösen.
Er kannte viele Kollegen aus den führenden medizinischen und wissenschaftlichen Einrichtungen in Russland – Topspezialisten, die mit Sicherheit um eine Einschätzung der Krankheit gebeten worden waren. Wahrscheinlich hatten auch sie den Maulkorb von ganz oben bekommen, doch mit etwas Glück konnte er vielleicht den ein oder anderen überreden, ihm Zugang zu den Akten oder den Labortests zu verschaffen.
Fiona Devin nickte bedächtig, als er ihr seine Idee vortrug. »Die Kontaktaufnahme könnte allerdings riskant werden«, gab sie zu bedenken. »Immerhin geben Sie vor, Sie wären John Martin, ein harmloser, unbedeutender Sozialwissenschaftler aus Kanada. Diese Tarnung können Sie aber nicht aufrechterhalten, wenn Sie zu Leuten gehen, die Sie oder Ihre Arbeit kennen. Wenn nur einer
von denen in Panik gerät und schreiend wegläuft, um zu verkünden, dass er von Colonel Jonathan Smith, dem amerikanischen Seuchenspezialisten, angesprochen worden ist, wird im Kreml ein sehr lauter Alarm losgehen.«
»Stimmt«, gab Smith leise zu. »Aber ich sehe keine echten Alternativen, Ms. Devin.« Er schob sein unberührtes zweites Bier zur Seite. »Sie wissen doch, wer bereits alles mit dieser Krankheit angesteckt ist. Wir haben einfach keine Zeit, heimlich und überlegt vorzugehen. Ich muss einen Weg finden, die russischen Experten zu kontaktieren, die meiner Meinung nach die nötigen Informationen haben.«
»Dann lassen Sie mich wenigstens die eventuellen Quellen vorher kurz überprüfen«, sagte Fiona. »Mein Team und ich, wir kennen uns hier besser aus als Sie. Vielleicht können wir die, die Dudarew und seinem Regime zu nahe stehen oder offensichtlich zu viel Angst vor ihm haben, als Ansprechpartner aussortieren.«
»Wie lang werden Sie für eine solche Überprüfung brauchen?«, fragte er.
»Nur ein paar Stunden«, erwiderte Fiona selbstbewusst, »von dem Moment an, in dem Sie mir die Namen und Positionen der für Sie interessanten Personen mitteilen.«
Skeptisch lüpfte Smith eine Braue. »So schnell soll das gehen?«
Fiona grinste ihn an. »Ich bin wirklich sehr gut in meinem Job, Colonel. Und ich habe einige zuverlässige Mitarbeiter, sowohl in der Regierung wie außerhalb.«
Beinahe gegen seinen Willen erwiderte Jon ihr Grinsen. Seit sie ihre unterdrückte Wut und Trauer verdrängt hatte, war ihr natürliches strahlendes Selbstbewusstsein wieder an die Oberfläche gekommen. Es war ansteckend. »Also, wie kann ich wieder mit Ihnen in Verbindung treten?«
Fiona zog eine Visitenkarte aus ihrer kleinen Handtasche und schrieb schnell etwas auf die Rückseite. »Über diese abhörsichere Nummer können Sie mich stets erreichen, Tag und Nacht.«
Jon steckte die Karte in seine Hemdtasche.
»Unterdessen halte ich die russischen Gesundheitsbehörden auf meine Weise auf Trab«, versprach sie. »Morgen früh habe ich ein Interview, das in erster Linie genau diesem Zweck dient. Mit Konstantin Malkowitsch.«
Smith pfiff leise durch die Zähne. »Dem Investor? Dem Kerl, der mit Rohstoffen und Währungsspekulationen Milliarden gemacht hat?«
Fiona nickte. »Genau.«
»Er ist Amerikaner, nicht wahr?«
»Eingebürgerter Amerikaner«, sagte sie. »Genau wie ich übrigens. Doch von Geburt ist Malkowitsch Serbe und er hat in den letzten Jahren stark in die russische Industrie investiert. Außerdem spendet er viel Geld an die Wohlfahrtseinrichtungen, die versuchen, das antiquierte russische Gesundheitssystem neu zu ordnen. Und durch all diese Investitionen
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