Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
Russell«, sagte der Leiter der Operativen Aufklärung gedehnt. »Wollen Sie damit sagen, dass irgendjemand den Irak als Tarnung für sein eigenes illegales Biowaffenprogramm benutzt hat?«
Randi nickte. »Ganz genau, Sir.« Sie lächelte kühl. »Wo kann man schließlich seine schmutzige Nadel besser verstecken, als in einem Heuhaufen, der voller fremder schmutziger Nadeln ist?«
»Irgendwelche dringend Verdächtige?«
»Ausgehend von dem Material, das wir in al-Douris Computer gefunden haben?« Sie zuckte die Achseln. »Nicht direkt. Falls er wusste, wer ihn dafür bezahlte, dieses Biowaffenlabor innerhalb seiner Organisation zu verstecken, hat er jedenfalls sehr genau darauf geachtet, es nicht schriftlich festzuhalten. Ich neige allerdings zu der Ansicht, dass er es nicht wusste und dass es ihm eigentlich auch gleichgültig war.«
»Dann jagen wir wieder nur nutzlosen, trügerischen Informationen hinterher«, jammerte Kaye.
»Nicht ganz, Sir«, erwiderte Randi mit erzwungener Ruhe. Hinter seinem Rücken wurde der korpulente CIA-Chef in der ganzen Firma »Dr. No« genannt, nicht nur wegen seiner pessimistischen Grundeinstellung, sondern auch aufgrund der nahezu automatischen Ablehnung jedes Vorschlags, der ein Risiko beinhaltete oder den gängigen Ansichten widersprach.
»Fahren Sie fort, Ms. Russell«, forderte der Leiter der Operativen Aufklärung sie mit einem eigenartigen Lächeln freundlich auf. »Aus irgendeinem seltsamen Grund glaube ich, dass Sie noch ein Ass im Ärmel haben.«
Beinahe gegen ihren Willen grinste Randi die Projektionsleinwand an. »Nicht unbedingt ein Ass, Sir, eher einen Joker.« Sie hielt ein einzelnes Blatt Papier hoch, einen Ausdruck aus einer der Dateien, die ihr Gefangener auf der Festplatte seines Computers versteckt hatte. »Nach seinem ersten Treffen mit dem Wissenschaftler,
der für dieses Geheimprogramm verantwortlich war, hat unser Freund al-Douri einen ziemlich rätselhaften Eintrag in sein privates Tagebuch gemacht: ›Dieser Mann ist eher ein Schakal als der noble deutsche Wolf, für den er sich so gern hält. Und wie der Schakal fällt er über das Aas her, das seine einstigen Herren übrig gelassen haben.‹«
Kaye schnaubte hörbar. »Was sollen wir denn aus diesem arabischen Schmus lernen?«, spottete er.
»Das ist kein Schmus«, widersprach Randi kühl. »Nur ein schlechtes Wortspiel. Er hat mit dem Namen des ausländischen Wissenschaftlers herumgespielt. Es handelt sich um einen deutschen Wissenschaftler. Einen deutschen Biowaffenspezialisten, dessen Name an das Wort Wolf erinnert.«
Sie machte eine Kunstpause.
»Mein Gott!«, sagte einer der anderen CIA-Offiziellen plötzlich. »Sie sprechen von Wulf Renke.«
Randi nickte. »In der Tat.«
»Das ist unmöglich«, schnauzte Kaye. »Renke ist gestorben. Schon vor Jahren. Wahrscheinlich kurz nachdem er aus Berlin verschwunden ist.«
»Das behauptet die deutsche Regierung heute. Doch niemand hat je seinen Leichnam gesehen«, sagte Randi betont grimmig. »Und nach dem, was wir soeben aus diesen Computerdateien erfahren haben, glaube ich, wir sollten uns größte Mühe geben, die Wahrheit herauszufinden.«
Beifälliges Gemurmel rund um die zwei durch Video verbundenen Konferenztische. Wulf Renke stand ganz weit oben auf der Liste der weltweit »dringend gesuchten« Verbrecher aus dem Kalten Krieg. Als Mitglied der ostdeutschen Wissenschaftselite war Renke berühmt gewesen für seine brillante Forschung und berüchtigt für den Eifer, mit dem er seine tödlichen Kreationen an unfreiwilligen menschlichen Versuchsobjekten erprobte, meist politischen Dissidenten und gewöhnlichen Kriminellen. Kurz nach
dem Fall der Mauer war er spurlos verschwunden, ehe das Bundeskriminalamt seiner habhaft werden konnte.
Seither suchten die westlichen Geheimdienste nach ihm und jagten Gerüchten hinterher, die den abtrünnigen Wissenschaftler im Epizentrum verschiedener globaler Brandherde oder im Dienste unterschiedlicher fragwürdiger Führer und Ideen vermuteten. Angeblich hatte er für Nordkorea, Libyen, Serbien, al-Qaida und andere terroristische Organisationen gearbeitet. Doch keins dieser bedrohlichen Gerüchte hatte sich je bestätigt. Eine wachsende Zahl von Regierungen war inzwischen bereit, Berlins Behauptung, Renke sei tot und stelle für die zivilisierte Welt keine Gefahr mehr da, zu glauben.
Zumindest bis jetzt.
»Was schlagen Sie vor, Ms. Russell?«, fragte der Direktor der CIA schließlich steif.
»Dass Sie mich
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