Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
und Maschine geprägt.
Der Navigator neben ihm war mit den Knöpfen an seiner Konsole beschäftigt und bemühte sich, den leistungsfähigen ukrainischen Suchradar durch die in der Su-34 eingebauten Täuschsysteme zu stören. Ein Wunder, wenn ihm das gelang, doch jede Extra-Sekunde, die er herausschinden konnte, war wichtig für sie. Der Entfernungsmesser auf dem HUD zeigte jetzt zwölf Kilometer zum Ziel. Die rechteckige Navigationshilfe blinkte rot. Das primäre Ziel, das Kriegshauptquartier des ukrainischen Rats für Nationale Sicherheit und Verteidigung, war fast in Reichweite.
Ein neuer Alarm schrillte im Headset des Majors.
»Erfassung durch Feuerleitradar!«, warnte sein Navigator. »Boden-Luft-Raketen abgefeuert! Zwei Geschosse im Anflug. Sieht nach S-300ern aus. Aktive und passive Verteidigungsmaßnahmen eingeleitet!«
»Scheiße«, fluchte der Major. Die S-300 war eine der modernsten Langstrecken-Boden-Luft-Raketen im ukrainischen Arsenal, das Gegenstück zur amerikanischen Patriot-Flugabwehrrakete.
Die Su-34 erbebte kurz, als die Täuschkörperwerfer feuerten. Sekunden später detonierten die Behälter, die sie ausgespuckt hatten, hinter dem davonrasenden Jagdbomber und Wolken aus abertausenden winzigen Mylar-Streifen breiteten sich am Himmel aus. Jedes Stück dieser extrem dünnen Folie war exakt auf die Wellenlänge
des auf sie gerichteten feindlichen Radars zugeschnitten. Mit etwas Glück lenkten die sich rasch ausdehnenden Täuschkörperwolken die Raketen von ihrer Spur ab.
»Komm schon. Komm!«, hörte der Major sich leise murmeln. Trotz der Versuchung, umgehend mit Ausweichmanövern zu beginnen, hielt er sein Flugzeug grimmig auf Kurs. Das Zielrechteck wurde grün. Sie waren in Reichweite.
»Bombenabwurf!«, knurrte er und drückte den Entriegelungsknopf an seinem Knüppel. Kaum hatten die vier präzisionsgesteuerten Bomben sich von den Flügeln gelöst, schoss die Su-34, um mehrere tausend Kilo leichter, steil nach oben. Unverzüglich zog der Major den Knüppel scharf nach links, legte das Flugzeug auf den Rücken und sauste in mehreren engen, scharfen Kehren wieder in die Tiefe.
Erst knapp hundert Meter über der Erde fing er die Maschine ab – so nah am Boden, dass Bäume, Scheunen, Häuser und Strommasten aus der Dunkelheit auftauchten und vorbeirauschten, kaum dass sie von den Augen als feststehende Objekte registriert worden waren. Der Alarmton in den Headsets verstummte.
»Radarerfassung abgeschüttelt!«, meldete der Navigator aufatmend. »Wir sind unterhalb ihres Horizonts.«
Der Major blickte sich um und verrenkte den Hals, um durch die durchsichtige Kanzel nach hinten zu spähen. Eine Reihe grellweißer Blitze zuckte am Horizont auf und tauchte die schwarze Nacht sekundenlang in gleißendes Licht.
»Bombeneinschlag«, verkündete der Navigator leise. »Der Computer meldet, dass alle Waffen ihre Ziele getroffen haben.«
Unvermittelt wurde es schwarz um das Cockpit der Su-34.
In den Headsets war eine Stimme zu hören. »Angriffssimulation beendet. Halten Sie sich bereit.«
Mit einem schrillen hydraulischen Kreischen klappte das Kabinendach auf und gab die Sicht frei auf einen höhlenartigen Hangar, in dem weitere kastenähnliche Su-34-Flugsimulatoren standen.
Die anderen Maschinen bewegten sich noch, passten eilig ihre Positionen an, während computergesteuerte Anzeigen den Besatzungen der wild manövrierenden Maschinen realistische Ansichten von Himmel und Erde vorgaukelten.
Mit gerunzelter Stirn dachte der Major über den letzten Einsatz nach. »Controller, fangen wir noch einmal von vorn an«, sagte er in sein Kehlkopfmikrofon. »Diesmal möchte ich einen etwas anderen Anflug ausprobieren, um herauszufinden, ob wir der Entdeckung aus Konotop entgehen können, wenn wir zum Bombenabwurf hochsteigen müssen.«
Erschöpft lächelnd schaute sein Navigator ihn quer durch das Cockpit an. »Sie haben diesen Angriff heute schon fünf Mal geflogen, Sergej Nikolajewitsch. Wir sind nun seit drei Tagen jeweils zwölf Stunden im Simulator und probieren alle Tricks und Kniffe aus. Könnten wir nicht eine kleine Pause machen, wenigstens um uns die Beine zu vertreten?«
Der Major schüttelte den Kopf. »Noch nicht, Wladimir«, sagte er entschlossen. Er zuckte die Achseln. »Sie wissen doch, was Moskau angekündigt hat. Wir haben nur noch zwei Tage Zeit, hier zu trainieren, dann wird das gesamte Regiment nach Brjansk verlegt. Und den Unsinn, dass es sich dabei nur um eine sogenannte
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