Das Motel
sagt.«
Morrie erhob sich langsam. Er sah völlig erschöpft aus. »Okay, lass uns gehen.«
Eine Welle der Erleichterung erfasste Judy. »Ich danke dir, Morrie.«
Er trottete zu dem Haufen aus Taschen hinüber, beugte sich mit einem angestrengten Stöhnen hinunter und hob zwei der Taschen auf, darunter auch die mit dem Gewehr. »Weißt du, es wird ziemlich verdächtig aussehen, wenn wir mitten in der Nacht von hier verschwinden. Vielleicht ruft sie ja sogar deswegen die Polizei.«
»Mach dich nicht lächerlich. Sie wird sicher nicht die Bullen rufen, nur, weil wir mit unserem Wagen wegfahren. Woher soll sie wissen, dass wir nicht einfach eine nächtliche Ausfahrt in die Berge machen wollen? Und überhaupt geht sie das nicht das Geringste an. Und solange wir für diese Nacht bezahlt haben, wird es sie vermutlich auch nicht interessieren.«
»Oh, Scheiße«, murmelte Morrie. Er ließ die Taschen wieder auf den Boden fallen.
»Sag mir jetzt nicht …«, platzte Judy heraus und konnte die aufkeimende Wut in ihrer Stimme kaum verbergen.
Morrie, der in seinen weiten Jeans, seinem Flanellhemd und seiner blauen Regenjacke in der Tür stand, sah aus wie ein Kind, das seine Hausaufgaben nicht gemacht hatte und erwischt worden war. Er sah Judy nicht in die Augen.
»Es gibt ein kleines Problem, Judy. Wir haben noch nicht bezahlt.«
KAPITEL 19
Morries und Judys Geschichte
21 Uhr
Bis auf das flackernde Licht des Fernsehers lag das Wohnzimmer in völliger Dunkelheit. So schaute Morrie seine Filme am liebsten an – alle Lichter ausgeschaltet. Besonders, wenn er sich einen Horrorfilm ansah.
Auf dem kleinen Tisch neben ihm standen ein Sechserpack Foster’s, eine Schüssel mit Popcorn und eine Tüte Maischips. Er griff nach der Schüssel mit dem frischen, in Butter geschwenkten Popcorn und begann, es sich in großen Portionen in den Mund zu stopfen. Immer wieder fiel Popcorn auf seinen Schoß, ein paar Vereinzelte blieben sogar in seinem dicken Bart hängen.
Das würde eine Nacht werden! Als Erstes zeigte Channel Six im Rahmen seines Halloween-Marathons Die Nacht der lebenden Toten, der gerade begonnen hatte, und dann sollten der allererste Dracula und Der Exorzist folgen.
Auf dem Bildschirm schlichen Bruder und Schwester gerade über einen unheimlich aussehenden Friedhof.
Morrie hatte den Film einige Jahre zuvor schon einmal gesehen. Wenn er sich richtig erinnerte, war das der Film, in dem irgendein Schwarzer allen anderen sagte, was sie zu tun hatten, und am Ende war er der Einzige, der noch am Leben war.
Aber dann erschießt die Polizei ihn aus Versehen, oder?, dachte Morrie bei sich und lächelte. Was ist dann also die Moral von der Geschichte? Dass Nigger kein Stück besser sind als Zombies. Er kicherte und Stücke von zerkautem Popcorn sprühten aus seinem Mund.
Er trank einen Schluck Bier und stellte die Dose dann wieder auf den Tisch.
Aus der Küche hörte er das Klappern von Tellern und Tassen. Judy war noch immer mit dem Abwasch beschäftigt.
»Kannst du nicht ein bisschen leiser sein, mein Gott«, murmelte Morrie vor sich hin. Er dachte kurz darüber nach, aufzustehen und die Tür zu schließen, aber das war ihm dann doch zu aufwendig.
Sie müsste eigentlich bald fertig sein, dachte er.
Er blickte nach unten und sah einen Haufen Popcorn in seinem Schoß liegen. Er streifte es von seinem alten, zerschlissenen Bademantel, hob seine Beine und legte sie auf den großen Couchtisch, der vor ihm stand. Er stieß einen tiefen Rülpser aus und grinste.
Aus der Küche kam lautes Getöse. Morrie schreckte auf, als er den plötzlichen Lärm hörte. »Heilige Scheiße!«, knurrte er. »Ich hoffe, das war keiner von den Guten, Judy!«
Er musste nur etwa zehn Sekunden warten, dann streckte Judy ihren Kopf um die Ecke. »Tut mir leid, Morrie. Aber es war nur ein alter Teller.«
Er machte sich nicht die Mühe, etwas zu erwidern, sondern lehnte sich nur in seinem Sessel zurück und trank einen weiteren Schluck von seinem Bier.
Judy schlurfte zurück in die Küche, ging zum Schränkchen unter der Spüle hinüber und holte eine Kehrschaufel und einen Handfeger heraus.
»Fauler alter Sack«, murmelte sie schwer atmend. »Hat noch nicht mal gefragt, ob bei mir alles in Ordnung ist. Interessiert ihn einen Scheiß, ob ich mich vielleicht geschnitten habe.«
Ihre Pantoffeln schlappten auf dem Linoleumboden, als Judy zu dem zerbrochenen Teller zurückkehrte und sich hinunter beugte. Sie kehrte die Scherben auf, und als
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