Das Motel
Hütte auf der linken Seite, allesamt dunkel waren. Seltsamerweise stand vor der linken Hütte jedoch kein Auto. Da er annahm, dass es sich bei der größeren um das Büro handelte, lenkte Morrie den Wagen darauf zu. Direkt vor der Tür blieb er stehen und stellte den Motor ab. Er legte eine Hand auf Judys Schulter. »Ich bin gleich wieder da.«
Sie ignorierte ihn und starrte nur weiter aus dem Fenster. Er öffnete die Tür und stieg aus. Er war überrascht, wie kalt die Nacht inzwischen war.
Morrie wollte gerade auf die Bürotür zugehen, als eine alte Frau auf der Seite des Gebäudes auftauchte. Sie hatte ihren Schal ganz eng um ihre Schultern geschlungen und lächelte ihn an, während sie auf ihn zukam. Morrie nahm an, dass sie die Besitzerin war. »Guten Abend«, begrüßte sie ihn, und ihre Stimme klang kräftiger, als Morrie erwartet hatte. »Stürmische Nacht.«
Benimm dich einfach, als sei nichts passiert, ermahnte sich Morrie. Und sei nett und freundlich. Er schenkte ihr sein natürlichstes, höflichstes Lächeln.
KAPITEL 23
00.46 Uhr
Sie waren immer noch da. Wer zur Hölle sie auch immer sein mochten.
Er schnippte die Zigarette aus dem Fenster und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Augen und seinen Nasenrücken.
Drei ganze verdammte Stunden, seufzte er stumm. Ich bin seit drei … nein, Moment … seit über drei Stunden hier. Verdammt!
Er schaute zu dem Volvo und dem Mercedes hinüber und knurrte. Ein paarmal hatte er mit dem Gedanken gespielt, einfach mit seiner Smith & Wesson dort drüben aufzutauchen und die Party zu unterbrechen. Ihre Besucher konnten ja auch ebenso gut allesamt Frauen sein. Aber das war natürlich nur die Wunschvorstellung eines genervten Betrunkenen. Er war wegen Helen hier, und nur wegen Helen.
Während er seinen zweiten Flachmann aufschraubte und den brennenden Whiskey hinunterkippte, wanderten seine Gedanken in eine andere Zeit zurück. Zu einer anderen Frau.
Auch sie hatte ihm wehgetan. Wahrscheinlich sogar noch mehr – sie hatte ihm wirklich etwas bedeutet. Er hatte sie sogar geliebt.
Nicht, dass Helen ihm nichts bedeutet hätte. Das tat sie. Das musste sie ja, sonst würde er sicher nicht drei verdammte Stunden in diesem Wagen sitzen und darauf warten, mit ihr zusammen sein zu können. Und ihr zeigen zu können, wie sehr er sie brauchte.
Aber diese andere Frau war etwas ganz Besonderes gewesen. Obwohl all das schon 20 Jahre zurücklag, war seine Liebe für sie nie verblasst. Ebenso wenig wie der Schmerz.
Und jetzt war da Helen und tat ihm genau dasselbe noch einmal an. Tat ihm genauso weh, wie ihm schon einmal wehgetan worden war.
Ob es nun nur am Alkohol lag oder vielleicht an all den Erinnerungen, die über ihn hereinbrachen – plötzlich bildeten sich Tränen in seinen Augen.
Verdammte Schlampen. Wieso tun sie mir das nur immer wieder an? Verflucht! Wissen Sie denn nicht, was sie mir bedeuten? Dass ich sie brauche?
Er wischte sich die Tränen weg und trank einen weiteren Schluck von seinem Whiskey.
Das Funkgerät, sein endloses Knacksen und Rauschen und die entfernten Stimmen, ging ihm allmählich auf die Nerven. Aber anstatt es abzuschalten, drehte er nur den Ton leiser. Es war wie einer dieser wirklich nervigen alten Freunde, die man eigentlich nicht mag, aber trotzdem andauernd trifft. Es war einfach nett, Gesellschaft zu haben. Und, genau wie ein alter Freund, war auch das Funkgerät inzwischen ein fester Bestandteil seines Lebens. Es kam ihm ganz normal vor.
Es ging ihm nur ein wenig auf die Nerven, weil er betrunken war.
Es meldete sowieso nichts Interessantes, nur das Übliche. Das einzig Ernste heute Nacht schien eine Schießerei zu sein. Anscheinend war im Vorgarten eines Hauses irgendwo in Lilydale ein 18-Jähriger abgeknallt worden. Sie hatten bislang noch niemanden verhaftet, aber es gab immerhin zwei Verdächtige.
Hin und wieder stellte er lauter, um sich die neuesten Meldungen zu diesem Vorfall anzuhören, aber nur, wenn er in Gedanken nicht mit Helen beschäftigt war.
Er lehnte seinen Kopf zurück, die Flasche mit dem Whiskey noch immer in seiner Hand, und lauschte dem stöhnenden Wind.
Wie lange muss ich denn noch warten?, fragte er sich. Verdammt! Vielleicht sollte ich doch einfach da rübergehen …
Er lächelte in sich hinein. Wäre das nicht eine schöne Überraschung für Helen?
Aber das konnte er nicht tun. Selbst in betrunkenem Zustand wusste er, dass das einfach nur dumm gewesen wäre.
Aber wer ist bloß da drin? Und
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