Das Motel
dass du nicht die Bullen rufen wirst.«
»Tatsächlich heißt es genau das. Ich bin noch auf Bewährung, aber ich hab die Landesgrenze überschritten. Ich komme aus Western Australia und ich hab meinen Sohn dabei. Eigentlich darf ich ihn nicht sehen, wisst ihr, aber ich hab ihn … nun ja … ich hab ihn entführt.« Er kicherte kurz. »Na ja, entführt ist eigentlich nicht das richtige Wort. Er wollte mit mir kommen. Hat seinen alten Herrn vermisst, schätze ich.«
»Und woher wissen wir, dass du uns die Wahrheit sagst?«, fragte Al.
»Das könnt ihr nicht. Aber ich gebe euch mein Wort.«
»Ich weiß nicht«, erwiderte Eddy. »Du könntest schließlich genauso gut ein Bulle sein.«
Wayne lachte. »Glaubst du das wirklich? Denkst du nicht, dann hätte ich euch längst verhaftet oder wenigstens meine Waffe gezogen? Oder sogar Verstärkung angefordert? Wie ich schon gesagt hab: Ich hab euch zwei hier draußen gesehen und dachte, ihr bräuchtet vielleicht Hilfe. Ich werde sicher nicht zu den Bullen gehen. Verdammt, die suchen vermutlich schon nach mir.«
»Und es stört dich nicht im Geringsten, dass wir hier eine Leiche vor uns liegen haben?« Eddy hielt den Revolver noch immer ganz fest.
»Ja, was ist eigentlich passiert?«
»Sag’s ihm nicht«, raunte Al ihm zu.
»Darf ich einen Schritt näher kommen?«, bat Wayne. »Ich hab keine Knarre und auch keine andere Waffe.«
Eddy hob den Revolver wieder an. »Okay, aber wag’s nicht, auch nur zu zucken.«
»Netter Spruch«, lachte Wayne. »Genau wie im Film.«
Eddy beobachtete, wie die Gestalt sich ein Stück nach vorne bewegte. Der Mann kam langsam mit erhobenen Händen näher.
Außerhalb des Schattens der Hütte konnte Eddy Wayne nun deutlicher erkennen.
»Was ist mit deiner Hand passiert?«, fragte Al.
Wayne sah zu seiner bandagierten Hand hinauf. »Hab mich geschnitten. Ich hab meinem Sohn ein paar Tricks mit dem Bowiemesser gezeigt, die ich im Knast gelernt hab.«
»Du sagtest doch, dass du keine Waffe hast«, sagte Eddy.
»Nicht dabei«, erwiderte Wayne. Er blieb nur wenige Meter von den beiden Männern entfernt stehen. »Kann ich meine Hände jetzt runternehmen?«
»Sicher«, gewährte ihm Eddy, der den Revolver noch immer auf Bauchhöhe hielt. Nun konnte er sehen, dass Wayne ziemlich groß war. Er erinnerte Eddy an diesen Morrie in der anderen Hütte neben ihnen. Nur dass dieser Typ ein wenig kleiner und besser proportioniert war – im Gegensatz zu Morrie trug er keinen Bierbauch vor sich her.
Wayne streckte seine linke Hand aus. »Meinen Namen kennt ihr ja schon.«
Eddy nickte und senkte die Waffe. »Ich heiße Eddy.« Wayne hatte einen kräftigen Händedruck.
Nachdem sie sich begrüßt hatten, streckte Wayne seine Hand auch Al entgegen.
»Dir ist klar, dass wir dich erschießen, wenn du uns angelogen hast.«
»Mein Gott, Al«, sagte Eddy.
»Schon okay. Ich verstehe das. Aber du kannst mir vertrauen, Al. Ich hab in meinem Leben schon ’ne Menge Leichen gesehen. Ein paar davon sind sogar durch meine eigenen Hände gestorben. Auch wenn ich natürlich nicht stolz darauf bin.«
Al atmete tief ein und zuckte dann die Schultern. Er schüttelte Wayne die Hand.
»Nett, dich kennenzulernen, Al.«
Al ließ zuerst wieder los. Plötzlich rannte er am Wagen vorbei in den Wald.
»Was ist denn mit dem los?«
Eddy kicherte. »Dünnpfiff. Diese ganze Situation bringt seinen Magen total durcheinander.«
»Kann ich ihm nicht verübeln«, sagte Wayne. »Ihr Jungs könntet im Gefängnis landen, wenn sie euch erwischen.«
»Erinner mich bloß nich’ daran«, erwiderte Eddy.
Er sah, dass Wayne sich umschaute. »Netter Wagen. Was ist das für einer?«
»Äh, ein Datsun Bluebird.«
»Gehört der dir?«
Eddy war sich nicht sicher, ob er ihm die Wahrheit sagen sollte oder nicht. Er entschied sich zu warten, bis Al wieder zurückkam. »Er gehört mir«, antwortete er. »Hat das wehgetan?« Eddy deutete auf Waynes bandagierte Hand.
»Höllisch. Ich hatte Glück, dass ich mir meinen Mittel- und Ringfinger nicht komplett abgeschnitten hab.«
»Echt? Mein Gott, muss ja ganz schön tief gewesen sein.«
»Ungefähr so tief, wie man schneiden kann, ohne, dass sie abfallen.«
»Und dann hast du dich selbst verbunden?«
Wayne nickte. »Konnte ja schlecht zum Arzt gehen. Aber ich versteh ein bisschen was vom Nähen. Und mein Sohn hat mir auch geholfen.«
»Wie alt ist dein Sohn?«
»18. Er heißt Simon. Gut aussehender Junge. Kommt ganz nach seinem alten
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