Das Mozart-Mysterium
Tageszeit sofort einen Versuch zu unternehmen und zu Mozarts Wohnung zurückzukehren. Es würde das Klügste sein, beide Möglichkeiten in Betracht zu ziehen – also sowohl von der Vorderseite als auch der Rückseite des Hauses aus zu zählen – und uns aufzuteilen. Als wir in der Getreidegasse angelangt waren, sahen wir sogleich die Karren der Bauleute und mehrere Personen, die vor dem Eingang des Hauses umherstanden. Die Arbeiten im Keller waren also bereits in vollem Gange.
Mozart beschloss, allein loszugehen, und Therese und ich begannen von der Rückseite des Hauses aus.
Da die Getreidegasse von Ost nach West verlief und der Eingang des Hauses nach Süden zeigte, mussten beide, sowohl Mozart als auch wir, acht Schritte vom Eingang aus nach Westen gehen, dann neun nach Süden. Mozart von der Vorderseite aus, wir von der Rückseite aus.
Als ich mit Therese soeben von der Getreidegasse um die Ecke zur Rückseite des Hauses bog, wo wir unseren Marsch beginnen sollten, sah ich noch aus dem Augenwinkel, wie aus dem Eingang von Mozarts Wohnhaus der Hausbesitzer auf Mozart zu rannte, als dieser soeben beginnen wollte, seine Schritte abzuzählen.
Wir ahnten, dass Mozart durch den entrüsteten Vermieter, der sicherlich Schadensersatz fordern wollte, erheblich aufgehalten werden würde. Dessen ungeachtet gingen wir unseres Weges, damit wenigstens wir mit einem Ergebnis aufwarten konnten, bevor die Nacht hereinbrach.
An der gelben Fassade erkannten wir dasjenige der direkt aneinander gebauten Häuser, in dem Mozarts große Wohnung lag. Wir wandten dem Gebäude den Rücken zu und brachten uns die Schrittfolge in Erinnerung: zuerst acht Schritte gen West, dann neun nach Süd. Es war schon jetzt zu ahnen, dass wir an der Universität enden würden, denn das große Gebäude nahm fast den ganzen Block auf der Rückseite der Getreidegasse ein. Zu erfahren war nur noch, an welcher Stelle wir genau ankommen würden.
Wir mussten uns also nach rechts wenden. Nach acht Schritten wendeten wir uns nach links, wo nun Süden war, und gingen genau neun Schritte.
Eine Steinwand ragte vor uns auf, glatt und ohne jeden weiteren Hinweis auf ein Versteck. Wir standen direkt vor der Universität, nur befand sich dort weder ein Eingang noch ein Fenster noch eine andere Struktur an der Wand. Mozarts Weg musste also wohl der richtige sein – wenn ich diesen im Geiste berechnete, dann musste er in einem Haus der Getreidegasse enden, da sich diese noch fast um das Doppelte der ersten acht Schritte nach Westen weiterzog. Wenn er sich dann nach Süden wandte, musste er erneut ein Haus betreten, das in der Getreidegasse stand, und dort neun Schritte hineingehen, möglicherweise auch eine Treppe hinauf. Wir machten uns auf den Rückweg. Am Hauseingang Mozarts angelangt, begannen wir die Prozedur von vorn, nun in der Version Mozarts, gingen also erst vom Eingang acht Schritte nach links, nach Westen.
Als wir die genaue Schrittzahl gelaufen waren, standen wir vor einer Tür.
Beseelt von der Hoffnung, endlich auf der richtigen Spur zu sein, schlugen wir mit dem großen, ringförmigen Klopfer gegen das Holz der schweren Eichenholztür.
Keine Reaktion.
Ich versuchte es erneut, diesmal heftiger, damit man uns nicht überhörte. Wieder nichts. Als ich mich resigniert zu Therese umwenden wollte, um sie um Rat zu fragen, spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Erschrocken fuhr ich herum – hinter mir stand Mozart, mit erheiterter Miene, weil ich so schreckhaft reagiert hatte.
»Eieiei, lieber Junge, das tut mir aber leid. Ich war schon drinnen – der Malermeister Brandtner wohnt hier. Leider eine falsche Spur. Der Flur misst nur fünf Schritte, dann erreicht man solide Mauern. Wir geben lieber für heute auf und versuchen morgen, eine andere Lösung zu finden.«
Enttäuscht kehrten wir zu Thereses Haus zurück. Als wir am Eingang angelangt waren, entfuhr mir eine Idee: »Heureka! Ich hab’s! Wie lange ist die Universität am Abend geöffnet?«
Mozart verstand den Grund meiner Frage nicht, aber meinte, der Haupteingang sei oft bis spät abends offen. Ohne meine Gedanken zu erklären, teilte ich den Freunden nur mit, dass ich das Rätsel wahrscheinlich gelöst habe und sofort einen Versuch unternehmen wolle, die Lösung zu erproben. Therese zog vor, lieber den Tag zu beschließen, da sie sehr erschöpft war, aber sie ermutigte uns, uns nochmals auf den Weg zu machen.
Wir schlugen eine rasche Gangart ein, sodass wir in kurzer Zeit am
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